Kommentar:Mehr Klarheit

Die Entscheidung, das Kraftwerk nicht abschalten zu lassen, basiert auf Zahlen, die wiederholt kritisiert wurden. Es liegt nun an den Stadtwerken und am Stadtrat, jeglichen Verdacht auszuräumen

Von Stefan Simon

Der Wählerwille war eindeutig, die Abfuhr ist es auch. Aus der per Bürgerentscheid beschlossenen Abschaltung des Kohleblocks im Kraftwerk München-Nord im Jahr 2022 wird endgültig nichts. Die Bundesnetzagentur hat den Teil der Anlage, in dem klimaschädliche Steinkohle verheizt wird, für systemrelevant, für bis auf Weiteres also nicht abschaltbar erklärt. Das war nicht anders zu erwarten, enttäuschend ist es für 60 Prozent der Wähler trotzdem.

Das ist der Stoff, aus dem Politikverdrossenheit entsteht, und wenige Monate vor der Kommunalwahl darf das niemandem egal sein. Bei der Abstimmung im Jahr 2017 - lange vor den "Fridays for Future"-Protesten - wurden unrealistische Erwartungen geweckt. Der früh gegebene Hinweis, dass Wähler in München ein "Raus aus der Steinkohle" zwar beschließen, am Ende aber nicht so einfach durchsetzen können, wurde von den Initiatoren in sein Gegenteil verkehrt: Er diente ihnen als Beleg dafür, dass die Gegenseite von vornherein plante, das Ergebnis des Bürgerentscheids zu ignorieren. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Es liegt nun an den Stadtwerken und am Stadtrat, den wiederholt geäußerten Verdacht auszuräumen, dass dem jüngsten TÜV-Gutachten und der folgenden abschlägigen Entscheidung der Bundesnetzagentur Zahlentricksereien zugrunde liegen könnten. Der Bürgerentscheid mag ins Leere gelaufen sein. Doch diese Leere darf man nicht den populistischen Argumenten überlassen. Das schadet dem politischen Diskurs, vor allem aber dem Anliegen selbst.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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