Kommentar:Lieber rechtlich sauber als schnell

Lesezeit: 1 min

Wegen des Hin und Hers bei der Frage, welcher Architekt den Gasteig sanieren darf, steckt der Stadtrat nun in einer Zwickmühle. Er sollte nur zustimmen, wenn der Gasteig klar belegen kann, dass alles einwandfrei abgelaufen ist - auch wenn andernfalls eine teure Verzögerung droht

Von Heiner Effern

Der Gasteig steht schon vor einem Trümmerhaufen, lange bevor der erste Bagger für die Sanierung angerückt ist. Die Verantwortlichen haben den Architekten-Wettbewerb und letztlich auch ihre Entscheidung für den Entwurf des Münchner Büros Henn in einer Weise diskreditiert, dass nun der Stadtrat als letzte Instanz in höchste Bedrängnis gerät. Soll er am nächsten Mittwoch den Vorschlag des Gasteig-Aufsichtsrats bestätigen, auch wenn die unterlegenen Architekten gegen das Ergebnis rechtlich vorgehen? Das hieße: Augen zu und durch und schlimmstenfalls eine rechtliche Niederlage mit unabsehbaren Folgen in Kauf nehmen. Oder soll er lieber den Beschluss verschieben und eine womöglich teure Verzögerung riskieren?

Augen zu und durch, das wäre höchst gefährlich. Die Beteiligten haben eine Woche lang ein absurdes Theater inszeniert, als ob sie lieber eine Schauspielbühne als einen Konzertsaal in den sanierten Gasteig einbauen wollten. Die SPD machte ohne Not Probleme mit dem Urheberrecht öffentlich, von denen man nicht weiß, ob sie ohne dieses Vorpreschen jemals zum Problem geworden wären. Oder ob sie diese Woche genau deshalb so gewachsen sind. Der Umgang damit im Gasteig war aber genauso erstaunlich. Es muss nicht einmal so gewesen sein, aber letztlich entstand aus einer großen Geheimniskrämerei heraus der Eindruck, dass ein Architekt aus der Bauzeit des Kulturzentrums handstreichartig mit Verweis auf seine Urheberrechte das Ergebnis vorgegeben hat.

Dass die zwei verbliebenen Konkurrenten aus dem Wettbewerb sich das nicht gefallen lassen wollen, ist ihr gutes Recht. Sie sind keine schlechten Verlierer, sie fühlen sich nicht ohne Grund verschaukelt. Der Stadtrat sollte deshalb wenigstens versuchen, die Trümmer wieder zusammenzusetzen. Das heißt: Der Gasteig muss sehr genau belegen können, dass das siegreiche Büro Henn keinen Informationsvorsprung hatte. Daneben muss sichergestellt sein, dass die Begründung für die Wahl inhaltlich hieb- und stichfest ist. Wenn SPD und CSU mit ihrer Mehrheit das Ergebnis ohne diese Garantie genauso durchwinken, wie es der Gasteig-Aufsichtsrat getan hat, wäre das rechtlich angreifbar und käme die Stadt womöglich teuer. Eine auf zweifelhafte Weise durchgedrückte Sanierung wäre zudem ein Imageschaden. Egal ob man den Gasteig als Kunstwerk oder als Klotz am Berg einordnet, das hat Deutschlands größtes Kulturzentrum nicht verdient.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: