Kommentar:In München ist nicht alles dicht

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Keine Großstadt ist so dicht besiedelt wie München - diese Statistik wird gerne angeführt, um weitere Bauprojekte in der Stadt abzulehnen. Sie stimmt zwar, als Argument hilft sie aber trotzdem nicht weiter

Von Dominik Hutter

Ein gewisser Hang zur Basta-Politik ist nicht zu übersehen: So geschehen bei der geplanten Bebauung der Unnützwiese in Trudering und jetzt beim Kustermannpark an der Rosenheimer Straße - stets griff Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ein und erklärte alle Neubaupläne für beendet. Richtig so. Wenn die unumgängliche Verdichtung der Stadt akzeptiert und als Chance begriffen werden soll, dürfen nicht alle Erholungsflächen zubetoniert werden. Gemeint sind, wohlgemerkt, echte öffentliche Grünanlagen. Denn private Gärten, die für die Allgemeinheit gar nicht zugänglich sind, helfen nicht dabei, die Lebensqualität der Stadtbewohner zu erhalten. Und auch die gerne angeführte Statistik der ohnehin schon hohen Bevölkerungsdichte ist kein gutes Argument dafür, dass gar nicht mehr gebaut werden dürfe.

Tatsächlich steht München gar nicht so schlecht da, was innerstädtische Grünflächen betrifft. Es gibt Riesenareale wie den Englischen Garten oder die sich durch die komplette Stadt ziehenden Isarauen, aber auch Parks wie den Westpark oder den Hirschgarten. Sie dürfen nicht verbaut werden, das ist richtig. Das hat aber auch niemand vor. Die immer wieder angeführte Statistik, wonach München ja schon die am dichtesten besiedelte Großstadt Deutschlands ist, hilft in der Debatte nicht weiter. Weil dieser Wert so gut wie nichts aussagt. Der entscheidende Faktor bei der Ermittlung dieser Zahl sind nicht etwa innerstädtische Grünflächen, sondern vielmehr die Frage, inwieweit die Häuser einer Stadt das Gebiet innerhalb der Verwaltungsgrenzen auch tatsächlich ausfüllen. Von riesigen landwirtschaftlichen Flächen am Stadtrand haben Erholungssuchende nichts - für die Statistik sind sie von entscheidender Bedeutung. Hamburg etwa verfügt bei 1,86 Millionen Einwohnern über ein Stadtgebiet von gut 750 Quadratkilometern (München: 310 Quadratkilometer bei 1,5 Millionen) - wegen vieler Hafen-, Lager-, Wasser- und Landwirtschaftsflächen. Klar, dass dort die statistische Bevölkerungsdichte niedriger ist.

Hamburg kommt auf 2400 Einwohner je Quadratkilometer, München auf 4900. Das ist im europäischen Vergleich eher Mittelmaß, attraktive Städte wie Barcelona oder Paris kommen auf 15 000 beziehungsweise 21 000. Grün schützen heißt deshalb: im Einzelfall entscheiden. Und nicht Statistik lesen.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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