Kommentar:Hilflos am Stammtisch

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Mit rechtlichen Mitteln ist der Franziskaner nicht zu retten. Münchens Altstadt wäre es aber wohl: Wenn Stadt und Staat den Mut aufbrächten, Immobilien auch selbst zu entwickeln

Von Christian Krügel

Mal ganz nüchtern betrachtet geht es nur um ein Wirtshaus, um einen gastronomischen Betrieb von eher umstrittener Qualität, der bald Boutiquen weichen muss. Das ist nicht neu, das kennt man in München, die Stadt hat deswegen schon viele Wirte ihre Boazn zusperren sehen. Und doch scheint beim Franziskaner an der Residenzstraße alles ganz anders zu sein. Seit bekannt wurde, dass der Hausbesitzer die Gaststätte gerne durch eine Einkaufspassage ersetzen würde, empören sich viele Münchner und rufen zur Wirtshausrevolution. Der Franziskaner ist für sie ein Symbol: Für das alte München mit seinen Brauereien und Wirtsstuben, für eine Zeit, in der es angeblich ruhiger und gelassener zuging. Nun könnte er ein anderes Symbol werden: Für das neue München mit seinen Coffee-Bars und Textilfilialisten, für eine Zeit, in der angeblich nur noch der Kommerz zählt.

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat den Ton vorgegeben: "Traditionsbewusstsein" dürfe "nicht zwangsläufig einer höheren Rendite geopfert werden". Alle rechtlichen Mittel will die Stadt ausreizen, um den Franziskaner zu retten. Nun folgt ihm auch Wissenschaftsminister Ludwig Spaenle, der scharf auf die Vorgaben des Denkmalschutzes verweist. Ehrenwerte Vorhaben, ganz im Sinne von Volkes Stimme. Doch letztlich werden auch diese Vorstöße nur ein Symbol bleiben: Für eine Politik, die quasi keine Handhabe hat gegen die Gesetze des Marktes. Der Denkmalschutz wurde in der Innenstadt schon an so vielen Stellen verbogen und gebeugt - warum sollte er hier ein scharfes Schwert sein? Das Baurecht lässt eine Einkaufspassage genauso zu wie ein Wirtshaus. Und eine Enteignung aus Gründen der Tradition werden weder Stadt noch Staat wagen.

Der Franziskaner wird mit rechtlichen Mitteln nicht zu retten sein. Münchens Altstadt wäre es aber wohl: Wenn Stadt und Staat den Mut aufbrächten, die eine oder andere Immobilie selbst zu entwickeln. Die Alte Akademie an der Fußgängerzone etwa gehörte dem Freistaat. Die einzige Idee, die er dafür hatte, war: Verkaufen an einen Investor. Der plant jetzt die nächste Shoppingmall.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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