Kommentar:Gegen die Gleichmacherei

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Es ist wichtig, dass die Stadt nun ganz genau hinschaut, wenn sie die komplette Sendlinger Straße für ein Jahr auf Probe zur Fußgängerzone macht

Von Frank Müller

Über die Sendlinger Straße müsste es schon längst eine TV-Vorabendserie geben. Auf ihren paar Hundert Metern zwischen Rindermarkt und Sendlinger Tor bietet sie ein München-Panorama wie vom Drehbuchschreiber erdacht: Kirche, Kaufhaus, ganz normale Wohnungen, eine Wirtschaft, Ärzte, Trendboutiquen und alteingesessene Läden. Und am Ende die Landeszentrale der Grünen.

Ist diese Szenerie nun bedroht, wenn die Stadt auch die verbliebenen Autos herauskomplimentiert? Das ist der entscheidende Punkt im Fall Sendlinger Straße, er ist viel wichtiger als die Frage, ob der Innenstadtbesucher dort noch seinen Wagen parken darf. Die kleine Straße ist einer der letzten Orte der Altstadt, an denen München normal und typisch geblieben ist, ohne ins Pittoreske abzurutschen - das ist viel wert. Wenn sie nun komplett zur Fußgängerzone wird, handelt es sich also um eine Operation am offenen Herzen. Es geht nur vordergründig um Verkehr - in Wahrheit aber um Aufwertung, höhere Mieten und den üblichen Trend zur Konsum-Gleichmacherei, der schon die große Fußgängerzone zum Teil zu einem unerquicklichen Ort gemacht hat.

Deswegen ist es so wichtig, dass die Stadt nun ganz genau hinschaut, wenn sie die komplette Straße für ein Jahr auf Probe zur Fußgängerzone macht. Die Signale, die aus dem Rathaus an die besorgten Anwohner kommen, deuten darauf hin, dass man das Thema ernst nimmt. Daher ist es auch richtig, wenn es keinen schnellen Totalumbau zur Fußgängerzone gibt, wie er im Ostabschnitt schon existiert. Wenn es gut läuft für "die Sendlinger", dann behält sie ihren Charakter und entwickelt ihn weiter. Das ist nicht nur für die Menschen wichtig, die hier wohnen und arbeiten. Sondern für die ganze Stadt, denn die Sendlinger Straße liegt in ihrer Mitte.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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