Kommentar:Gefahr aus der Behörde

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Welcher Teufel reitet das Jugendamt? Die Art und Weise, wie die Stadt einen freien Träger in den Ruin treibt, wird zum Problem für das Wohl von Kindern

Von Sven Loerzer

Im Etat des Sozialreferats ist der Ausgabenposten für Erziehungsangebote und Kinderschutz ein ganz dicker Brocken: Knapp 265 Millionen Euro musste die Stadt im Jahr 2014 dafür aufwenden, um für rund 14 500 Kinder und Jugendliche erzieherische Hilfen zu bezahlen und Gefährdungen ihres Wohls abzuwenden. Die Kosten liegen vor allem deswegen so hoch, weil die Angebote sehr personalintensiv sind. Sie reichen von ambulanten bis hin zu stationären Hilfen. Dass das Stadtjugendamt da dann auch genauer hinschaut, ob Abrechnungen stimmen und wirklich das vereinbarte und auch entsprechend den Vorgaben qualifizierte Personal eingesetzt war, ist dessen gutes Recht und Pflicht. Dabei muss es auch anonymen Hinweisen oder Meldungen von Insidern nachgehen, die damit möglicherweise ihre Rachegelüste verbinden. Das ist durchaus nachvollziehbar.

Nicht nachvollziehbar aber ist, wenn ein großer Jugendhilfeträger wie "Neue Wege", der seit 20 Jahren fachlich unumstritten gute Arbeit leistet, vom Jugendamt so ins Visier genommen wird, dass der Träger nach 20 Monaten Streit um ordnungsgemäße Belege auf der Strecke zu bleiben droht. Dabei hat die Heimaufsicht der Regierung von Oberbayern, die bei der unangemeldeten Überprüfung in den Einrichtungen von Neue Wege zugegen war, schon längst festgestellt, dass das Kindeswohl nicht gefährdet war.

Doch das Jugendamt, offenbar munitioniert von einem ehemaligen Mitarbeiter, der im Streit ausgeschieden ist und eigene Interessen verfolgte, machte dennoch weiter und trieb den Streit um papierene Unterlagen auf die Spitze: Erst mit einem Belegungsverbot, das die Gerichte wieder aufheben, dann mit der Nichtbezahlung von offenen Rechnungen ließ das Jugendamt die Situation eskalieren. Nun sind nicht nur die Arbeitsplätze von 120 Mitarbeitern bedroht, sondern auch die Arbeit mit mehr als 300 Kindern und Jugendlichen, die wegen unterschiedlichster Probleme auf Hilfe angewiesen sind.

Es sind aber nicht nur deren Existenzen, die das Jugendamt leichtfertig aufs Spiel setzt. Denn weil die städtischen Sozialbürgerhäuser monatelang keine neuen Fälle mehr an den in Ungnade gefallenen Träger zuweisen durften, wurde das Angebot knapp in der Jugendhilfe. Ausgerechnet das Jugendamt hat damit einen Streit ums Geld auf eine Weise ausgetragen, die das Wohl von Kindern ernsthaft gefährdet.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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