Kommentar:Erbettelte Watschn

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Dass die Geschäftsführerin über eine Klage gegen die zweite Stammstrecke nachdenkt und OB Reiter sie zurückpfeift, wirft ein bedenkliches Licht auf das Verhältnis zwischen Rathaus und Münchens wichtigstem Kulturzentrum

Von Franz Kotteder

Sonderlich überraschend ist die Ohrfeige nicht, die Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der Gasteig- Geschäftsführerin Brigitte von Welser gerade verpasst hat. Es ist eher der typische Fall, dass da jemand um eine Watschn geradezu gebettelt hat. Natürlich kann es sich die Stadt nicht leisten, erst jahrelang immer wieder den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke einzufordern und dann gleichzeitig in Gestalt einer städtischen GmbH gegen die Baugenehmigung zu klagen. Das ist auch dem Gasteig klar. Wohl deshalb hat er die Klage noch nicht eingereicht, sondern lediglich angekündigt, das in der kommenden Woche zu tun.

Das wirft aber wiederum ein bezeichnendes Licht auf das Verhältnis zwischen der Stadtspitze und ihrem wichtigsten Kulturzentrum. Offenbar sieht sich der Gasteig von den Bürgermeistern nur unzureichend vertreten. Wäre das anders, so müsste er nicht spektakulär mit einer Klage drohen, nur weil möglicherweise die Kellerstraße nicht mehr uneingeschränkt befahrbar ist. Die ist nun mal die wichtigste Anlieferungszone für den Gasteig, und so etwas müsste auch die Stadtoberen interessieren.

Reiter sagt, er wolle sich dafür einsetzen, dass die Belange des Gasteigs berücksichtigt werden. Eigentlich wäre das schon die Aufgabe des Zweiten Bürgermeisters Josef Schmid (CSU) gewesen, denn der ist als Wirtschaftsreferent für die Betreuung der städtischen Gesellschaften zuständig. Erstaunlich also, dass Schmid von der Klageandrohung anscheinend nichts wusste. Zugleich ist das aber auch ein Zeichen dafür, dass der Frust in der Gasteig-Geschäftsführung inzwischen groß ist, und daran ist Reiter nicht ganz unschuldig: Seit Jahren wird die Entscheidung über die notwendige Sanierung des Hauses von der Politik hinausgezögert, zwischendrin denkt Reiter noch schnell mal zusammen mit dem Freistaat über einen utopischen Radikalumbau der Philharmonie nach. Einen richtigen Plan gibt es freilich immer noch nicht, der soll erst 2017 in den Stadtrat kommen. Kein Wunder, dass man da um eine Watschn bettelt.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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