Kommentar:Enger ist schöner

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Dass dichter gebaut werden soll, sehen viele Münchner als Bedrohung. Dabei wäre das eine Chance, Stadtviertel attraktiver zu machen. Denn die beliebtesten Quartiere einer Stadt sind stets die am dichtesten besiedelten

Von Dominik Hutter

Verdichtung: In München wird das gerne als eine Drohung aufgefasst. Jetzt bauen s' die letzte Wiesn auch noch zu, grantelt dann die Nachbarin - gerade so, als wäre die Existenz unbebauter Flächen das typische Merkmal einer europäischen Stadt. Tatsächlich bedeutet Dichte urbanes Leben. Nur wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, entsteht überhaupt eine Stadt, und die ist umso spannender und lebendiger, je mehr in fußläufiger Entfernung passiert und angeboten wird. Dichte ist deshalb kein Problem, sondern eine Chance, Stadtviertel attraktiver zu machen. Die beliebtesten Quartiere einer Stadt sind stets die am dichtesten besiedelten. Die, in denen es viele Kneipen, interessante Läden und buntes Leben auf den Straßen gibt.

Kritiker verweisen gerne darauf, dass München bereits die mit Abstand am dichtesten besiedelte Großstadt Deutschlands ist. Das stimmt. Hier wohnen fast 4700 Menschen auf einem Quadratkilometer, in Hamburg sind es nur 2300, in Berlin 3900. Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen: Denn entscheidend für diese statistische Berechnung ist unter anderem, wie nah eine Stadt an ihre Verwaltungsgrenzen rückt - wie eng die Menschen in den Wohnvierteln aufeinanderhocken, ist damit noch nicht objektiv belegt. Zudem ist der Münchner Wert im europäischen Vergleich allenfalls Mittelmaß. Die wegen ihres pulsierenden Lebens gelobten Italien-Metropolen Turin und Mailand kommen auf 6800 und 7400, Paris liegt sogar oberhalb der 20 000er-Marke. Dort leben auch Menschen - und das nicht einmal schlecht.

Angst vor Verdichtung müssten die Münchner nur haben, käme das Rathaus mit der Infrastruktur nicht mehr hinterher. Danach sieht es zumindest beim Schulbau nicht aus. Beim Verkehr, vor allem beim Nahverkehr, müssen Stadt und Freistaat allerdings noch zulegen. Damit Dichte nicht zum Stressfaktor wird.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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