Kommentar:Die alte Vision ist die neue

Lesezeit: 1 min

Dafür, dass der Stadtrat vier Stunden über die Münchner Schicksalsfrage debattierte, ist das Ergebnis ziemlich durchschnittlich

Von Heiner Effern

Wer sich vom Stadtrats-Hearing zum Thema Wachstum große Visionen erhofft hatte, verließ das Rathaus stark ernüchtert. Nicht einmal ein kleines Visiönchen hatte sich eingeschlichen in die Debatte zum wichtigsten Thema der Zukunft. "Ich hätte mir gewünscht, dass Sie nicht nur Statements halten, sondern auch diskutieren", zog der Berliner Stadtgestalter Klaus Overmeyer ein sehr treffendes Fazit. Allerdings hatte auch sein Impulsreferat nicht gerade zu leidenschaftlicher Auseinandersetzung eingeladen.

Dabei stellen sich angesichts des prognostizierten Wachstum auf gut 1,8 Millionen Einwohner bis 2035 spannende Fragen: Wie sollen die Münchner künftig leben, was wird wo gebaut, muss die Stadt ein neues Gesicht erhalten oder wird es nur an ein paar Stellen fülliger? Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte zumindest versucht, einen Reiz zu setzen: Müsste München angesichts des Drucks auf dem Wohnungsmarkt nicht darüber nachdenken, Trabantenstädte wie einst Neuperlach zu bauen?

Der Funke hat nicht gezündet. Genauso wie die Debatte über die Hochhäuser: Könnte man schon, spielen eh keine Rolle, findet man keinen Investor, sind zu teuer, mehr kam nicht. Also musste OB Reiter am Ende schon froh sein, dass sich nahezu alle für mehr urbane Dichte in der Stadt aussprachen. Auch Vertreter der CSU. Allerdings hatte dort fast jeder Redner eine eigene Version von Urbanität. Bürgermeister Josef Schmid (CSU) und sein Fraktionschef Manuel Pretzl waren gar nicht erst erschienen. Was bleibt also nach knapp vier Stunden Statements? Einigkeit, dass die "alte" Vision "Kompakt - Urban - Grün" auch die neue sein soll, mit dem Unterschied, dass man sie von nun an wirklich umsetzen will. Und die traurige Nachricht, dass die allermeisten Stadträte damit auch noch zufrieden sind.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: