Kommentar:Daten, die zu spät kommen

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Die Kriminalitätsstatistik ist wichtig, vor allem in einem Wahljahr. Deswegen müssen die Zahlen schneller veröffentlicht werden als bisher

Von Martin Bernstein

Das Jahr fing schon gut an." Das hat Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä im Dezember im Rückblick auf 2016 gesagt und dabei die Terrorwarnung der Silvesternacht gemeint. Das Jahr 2016 hört schlecht auf - zumindest wenn man auf die Kriminalitätszahlen wartet. Zahlen für das zurückliegende Jahr erst im April zu veröffentlichen, ist mehr als ungeschickt. Es ist ein Fehler. Welchen Erkenntnisgewinn bietet eine Jahresstatistik, die völlig abgekoppelt ist von dem Zeitraum, von dem sie berichten will? Keinen. Sie spielt nur denen in die Karten, für die das Gerede über eine angebliche Verschwörung von Politik, Polizei und Medien Teil ihrer täglichen Hetze ist.

Denn die rechten Trolle haben längst eine Erklärung dafür parat, warum das mit den Zahlen so lange dauert: Da werde halt so lange manipuliert, gefälscht und getrickst, bis das politisch korrekte Ergebnis herauskomme. Die anderen aber, die derartigen rechten Stuss weder glauben noch nachplappern, fragen sich trotzdem verwundert: Was bitte dauert denn da solange? Natürlich wissen sie, dass Jahreszahlen der Einordnung und der Interpretation bedürfen und deshalb nicht am 1. Januar vorliegen können. Aber dass das Innenministerium erst Ende März Zahlen präsentiert und das Präsidium erst danach die Münchner Zahlen präsentieren darf, obwohl alles fertig ist - das muss nun wirklich niemand verstehen.

Es ist nicht nur verschnarcht, es ist grob fahrlässig. Und brandgefährlich. Ausgerechnet in einem Wahljahr tun die für Sicherheit zuständigen Stellen so, als hätte man alle Zeit der Welt. Dann kommt, rund fünf Monate vor der Bundestagswahl, der Aufschrei: Was - Anstieg der Kriminalität? Hat man nicht immer behauptet, München sei so sicher? Und: Also doch - die Flüchtlinge!? Beides stimmt. Und für beides gibt es Erklärungen. Doch die enthält man den Bürgern vor, viel zu lange. Dabei gäbe es ein Gegenbeispiel: Das Bundeskriminalamt veröffentlicht aktuelle Zahlen und Bewertungen fortlaufend, noch während des Jahres. Das kann man mutig nennen. Auch transparent und bürgernah. Vor allem aber: klug.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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