Kommentar:Auch von dieser Welt

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Die Geldsorgen bei der evangelischen Kirche werden immer dramatischer. Sie mag zwar kein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere sein. Aber zu glauben, man könne sich marktwirtschaftlichen Zwängen widersetzen, wäre naiv

Von Jakob Wetzel

Es ist genau eine Woche her, da warf Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) der katholischen Kirche diesen Satz an den Kopf: "Barmherzigkeit braucht keine Miete." Die Kirche solle doch den Landkreisen kein Geld dafür in Rechnung stellen, Flüchtlinge in ihren Gebäuden unterzubringen. Und er erntete dafür nicht nur Empörung in der Kirche, sondern auch Applaus. Von wegen: Die Kirche, die hat's doch.

Barmherzigkeit braucht keine Miete? In der evangelischen Kirche im Dekanat München würde dieser Satz bestenfalls mit einem Kopfschütteln quittiert. Hier heißt es derzeit: Können vor lachen. Die Kirche ist derart klamm, dass sie nun verstärkt Objekte vermieten will, ja muss: Wenn sie künftig nicht mehr Geld einnimmt, kann sie ihre Kirchen, Gemeindezentren und Kindergärten nicht mehr vor dem Verfall bewahren. Zu diesem Zweck gibt es ein Konzept, das mehr nach einem normalen Wirtschaftsbetrieb klingt als nach einer Kirche. Da ist die Rede von Ertragsobjekten, von Nutzungsoptimierung und davon, dass Kirchengemeinden mit ihren Gebäuden mehr Geld verdienen sollen, anstatt sie nur für sich zu nutzen.

Beschlossen ist davon noch nichts, was die Kirche am Ende tatsächlich umsetzt, ist offen. Aber schon jetzt steht sie vor einem Dilemma: Was tun mit dem eigenen Besitz? Einerseits will die Kirche zum Beispiel möglichst kostenlos Räume bereithalten, damit Flüchtlinge etwa Sprachkurse erhalten können. Andererseits aber müssen diese Räume und Gebäude teuer unterhalten werden. Was im Münchner Dekanat geschieht, zeigt vor allem eines: Eine Kirche mag vielleicht kein normales Wirtschaftsunternehmen sein. Aber zu glauben, dass sie sich marktwirtschaftlichen Zwängen widersetzen kann, ist naiv. Es stimmt: Eine reiche Kirche läuft Gefahr, unglaubwürdig zu wirken. Aber sie kann nicht gleichzeitig arm sein und ihre Häuser sanieren. Erst kommt der Gebäudeunterhalt, dann die Barmherzigkeit.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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