Kommen und gehen:Kein Platz für Verlierer

Lesezeit: 3 min

Mit den Umzugsplänen der Acatech begann ein langes Gerangel um die Standorte am Karolinenplatz - selbst die vertriebene Lottoverwaltung gibt sich am Ende versöhnt

Von Silke LoDE, München

Bei Kindergeburtstagen ist die Reise nach Jerusalem ziemlich beliebt. Im Alltag der Großen bereitet dieses Spiel aber nur selten Freude. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat sich vor ein paar Jahren trotzdem zu einer Partie verführen lassen, und die ging so: Das per Kabinettsbeschluss anberaumte Stühlerücken sollte am Karolinenplatz stattfinden, an einer der besten Adressen Münchens also. Dort war zwar kein Platz frei geworden, aber ein neuer Spieler auf den Plan getreten. Die Technikakademie Acatech, bis dahin öffentlich kaum bekannt und in der Residenz nobel untergebracht, hatte Bedarf an größeren Räumlichkeiten geäußert. Ob es die Präsidenten der Akademie waren, die partout das Amerika-Haus wollten, oder ob die Staatsregierung der Akademie zunächst nur diese Immobilie angeboten hatte, ließ sich nie ganz klären. Heute, fünf Jahre später, ist das Spiel fast zu Ende. Die Acatech eröffnet an diesem Freitag ihr neues Forum mit einem Empfang. Die neue Anschrift lautet: Karolinenplatz 4.

Man könnte also meinen, der Verlierer der Reise nach Jerusalem heiße Lotto Bayern. Denn die Lottozentrale musste weichen, nachdem das Amerika-Haus mit Hilfe prominenter Fürsprecher, Unterstützung aus der Bevölkerung und aus dem Landtag bis tief in die CSU-Fraktion den Kampf um das Haus gewonnen hatte. Auch die Lotto-Mitarbeiter wollten bleiben und hatten in den Jahren 2011 und 2012 mehrfach gegen das Spielchen protestiert.

Heute arbeiten 300 von ihnen an der Theresienhöhe, 50 in einer Außenstelle von Lotto Bayern in Nürnberg. Und ihr Chef, Erwin Horak, sagt: "Aus heutiger Sicht bin ich mit dem neuen Standort sehr zufrieden." Das neue Büro sei "ganz modern, hell und im Zentrum Münchens", für Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen geeignet. "Wir haben nach der Entscheidung sofort nach vorn geschaut", sagt Horak - und wünscht der Acatech "einen guten Start".

Wie ein Verlierer klingt er nicht. Auch Meike Zwingenberger, die Geschäftsführerin des Amerika-Hauses, wirkt zufrieden: "Wenn alles so umgesetzt wird wie geplant - großartig!", lautet ihre Bilanz. Dazu muss man wissen, dass Zwingenberger und ihre Mitarbeiter momentan gar nicht in dem 1957 eigens für das Kulturinstitut erbauten Amerika-Haus sitzen, sondern ein paar Meter weiter - in einem der ehemaligen Lotto-Gebäude, im Hinterhof der Acatech. Das Amerika-Haus selbst ist seit Jahresanfang eine Baustelle. Heizungen, Toiletten und Elektrosysteme müssen erneuert, die Räume saniert werden. Fast 20 Millionen Euro lässt sich der Freistaat das kosten. Zwingenberger freut sich auf die umgebaute Bibliothek, in der ein schöner Raum für Lesungen mit Blick auf den Obelisken am Karolinenplatz entstehen wird. Auf den neuen Theatersaal, der künftig vielseitiger nutzbar sein soll, ohne seine tradierte Atmosphäre zu zerstören: "Das Haus steht ja unter Denkmalschutz", erklärt Zwingenberger.

Im August 2018 soll die Generalsanierung abgeschlossen sein. "Das Gebäude mit seiner besonderen Architektur bleibt erhalten, und wir werden es sehr lebendig bespielen", freut sich Zwingenberger. Auch im Amerika-Haus sind sie also zufrieden. Nicht einmal die Änderung der Rechtsform, die zwischenzeitlich ein Nebenschauplatz in dem fast zwei Jahre anhaltenden Gerangel war, stößt noch auf Kritik. Der frühere Trägerverein ist durch eine gemeinnützige GmbH abgelöst worden, deren einziger Gesellschafter der Freistaat ist. Die neue Chefin hält diese einst als "Gouvernementalisierung" gescholtene Struktur für "dauerhafter und stabiler" als den Verein. Und selbst zwei kritische Oppositionsfrauen, Claudia Stamm (Grüne) und Isabell Zacharias (SPD), haben dafür nur Lob übrig: Inhaltlich habe sich wenig geändert; der Beirat, in dem sie selbst mitreden, arbeite "angenehm und offen".

Die Lottozentrale ist auf die Theresienhöhe gezogen. (Foto: Florian Peljak)

Ist Seehofer am Ende doch das Wunder gelungen, sein Spiel zu einem unverhofft guten Ende zu bringen?

Nicht ganz, zumindest nicht in den Augen von Claudia Stamm. Zwar haben das Amerika-Haus, die Lottozentrale und Acatech je einen Platz gefunden. Den Preis dafür hält Stamm aber schlicht für "Wahnsinn". Allein für die Miete von 12 000 Quadratmetern an der Theresienhöhe 11 für die 300 Lotto-Mitarbeiter zahlt der Freistaat laut Stamm fast 300 000 Euro Miete - pro Monat. Hinzu kommen sieben Millionen für Umbauten. "Der Staat sollte möglichst sparsam wirtschaften, so etwas ist da nicht sinnig", kritisiert die Haushaltsexpertin der Landtags-Grünen. Mindestens so sehr ärgert sie, dass die Technikakademie, die Stamm für "einen Lobbyverein großer Firmen" hält, künftig mietfrei am Karolinenplatz residiert: "Bei gewissen Institutionen finde ich eine solche Unterstützung gut, nicht aber bei Acatech."

Neu ist dieses Privileg der Acatech nicht. Schon ihre alten Räume in der Residenz durfte sie mietfrei nutzen. Dort ist jetzt zwar eine Vakanz entstanden, doch auch künftig wird hier kein Geld mit Mietern verdient. Die Räume sollen bald museal genutzt werden, heißt es bei der Schlösser- und Seenverwaltung. Schließlich handele es sich um die ehemaligen privaten Wohnräume König Ludwigs II.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: