Kleinkunst:"Leute vom Fernsehen wegbringen"

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Ein paar Herzenswünsche hat Markus Bachmeier, Hausherr von Altem Kino und Altem Speicher: zum Beispiel eine Theaterreihe zu etablieren. (Foto: Christian Endt)

Früher war das Kulturangebot kleiner, aber die Szene aktiver, sagt Markus Bachmeier, Hausherr von Altem Kino und Altem Speicher und langjähriger Kulturmacher.

Interview von  Rita Baedeker, Ebersberg

Markus Bachmeier, Hausherr von Altem Kino und Altem Speicher, ist einer der dienstältesten Kulturmacher im Landkreis. Der bald 52-Jährige wuchs in Oberpframmern auf und lebte dort bis zu seinem 30. Lebensjahr. Die Familie hatte einen Bauernhof. Kultur, das waren für ihn kirchliche Feste, Maibaum, Fußballverein. Etwas, das man privat auf die Beine stellte, etwa mit dem Bruder, der eine Band hatte. Mit der SZ sprach Bachmeier über ein Kulturleben, das über Jahrzehnte gewachsen ist und sich verändert hat.

SZ: Wenn Sie zurückschauen, als Veranstalter und als Privatmensch: Wie hat sich das Kulturleben im Landkreis in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt?

Markus Bachmeier: Die Frage ist, wie man Kultur definiert. Für mich ist Kultur, wenn Menschen aufeinander treffen, sich austauschen. Das kann auch am Stammtisch sein. Ich habe das Leben im Fußballverein genossen. Galerien und klassische Konzerte gab es nicht. Man ist damals als Hippie mit langen Haaren herumgerannt. Und unsere Kultur, die haben wir selbst gemacht.

Heute sind Sie künstlerischer Leiter zweier bedeutender Spielstätten in Ebersberg. Wie kam es dazu?

Auch das hat sich aus einer privaten Initiative entwickelt. Die erste nennenswerte kulturelle Institution waren die Ebersberger Kulturtage, die Mitte der Achtzigerjahre der damalige Verein "Kulturstudio" ins Leben gerufen hat. Jetzt macht das der Kreisjugendring.

Was wurde da geboten?

Es gab zahlreiche Bands aus der Umgebung, übrigens mehr als heute. Die Wirtshäuser hatten einen Festsaal im oberen Stockwerk, wo die üben konnten. Das Alte Kino, das war damals die Diskothek "Showboat". Früher war ja Grafing Mittelpunkt des Kulturlebens. Das lag vor allem am dortigen Gymnasium. Ebersberg war, so mein Eindruck, eine eher ruhige Beamtenstadt.

Gab es früher einen kulturell gesehen tieferen Graben zwischen München und dem Landkreis als heute?

Klar, in München war fast alles in Fülle vorhanden. Hier auf dem Land wurde zwar auch viel unternommen, aber auf privater Basis. Da wurde dann eben der Strom an die Kiesgrube bei Moosach verlegt, das sprach sich herum, schon hatte man einen Treffpunkt.

Welche Faktoren haben die Entwicklung des kulturellen Lebens hier mit geprägt? Verstädterung, Zuzug, Fernsehen?

Von allem etwas. Es gibt heute einfach viel mehr Angebote. Früher war das Wirtshaus Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens, jedenfalls für die Männer (lacht). Inzwischen muss man mehr bieten. Die Erwartungshaltung ist gestiegen. Einfach abends weggehen, reden, trinken - das reicht nicht mehr. Es muss immer etwas passieren.

Welche Ursachen sehen Sie für diese Anspruchshaltung?

Das Konsumverhalten ist auch ins kulturelle Leben eingedrungen. Die Leute wollen etwas geboten, etwas vorgesetzt bekommen. Selbst etwas auf die Beine zu stellen, ist vielen zu anstrengend. Mein Ziel war immer: Ich will die Leute vom Fernsehen wegbringen.

Vielfach schaffen Sie das ja auch. Wie hat sich eigentlich diese unglaubliche Kabarettszene in Ebersberg entwickelt?

Es sind immer einzelne, die etwas auf den Weg bringen. Den Anstoß gaben die schon erwähnten Kulturtage. Unser Freundeskreis stellte ein Kabarett-Programm zusammen, die Kabarettgruppe "Valtorta" wurde gegründet. Diese erfolgreiche künstlerische Arbeit eröffnete uns später die Chance, das Alte Kino, das bis 1988 Tanzlokal war, zu betreiben, nachdem es 1990 in den Besitz der Stadt übergegangen war. Ohne die Kulturtage würde es das Alte Kino nicht geben.

Valtorta schlug wohl richtig ein im hiesigen Kulturleben. Sogar ein Gässchen neben dem Rathaus wurde nach euch benannt.

Wir kamen als "Gruppo di Valtorta" auch ziemlich rum, waren sogar mal bei Dieter Hildebrandts Scheibenwischer zu Gast, der uns übrigens sehr unterstützt hat. Bei Valtorta habe ich sehr viel gelernt, auch, wie man es nicht machen sollte. Zum Beispiel sollte man Künstler behandeln wie Gäste und nicht wie Angestellte, die ihre Show abzuliefern haben.

Erinnern Sie sich an einschneidende Erfahrungen in den zurückliegenden Jahren? An Widerstände, Anfeindungen?

Gleich zu Anfang gab es einen richtigen Skandal. Die damalige Gruppe "Kabarett Fernrohr", das waren Helmut Schleich und Christian Springer, spielte in Ebersberg "Die geile Messe". Der Ankündigungstext dazu war ziemlich religionsfeindlich, das Programm selbst eher harmlos. Aber viele fühlten sich dadurch in ihrem Glauben verletzt. Es entbrannte eine wahre Leserbriefschlacht in der SZ. Es gab Drohungen, für den Abend der Aufführung wurde ein Sprengstoffanschlag angekündigt. Das war auch eine Nagelprobe für unser Verhältnis zur Stadt Ebersberg. Zum Glück waren wir immer autark, andere Kulturämter müssen ihre Programme zur Genehmigung vorlegen.

Wenn Sie mal ihre Memoiren schreiben sollten. Was wird darin auf jeden Fall vorkommen?

Unsere selbst produzierten Stücke, die wir seit dem 10. Geburtstag des Alten Kinos alle fünf Jahre zeigen. Das prägt, schweißt das Team zusammen und macht riesigen Spaß. Und natürlich das Kulturfeuer.

Was die Kultur heftig befeuert hat.

Die Reihe ist ein Glücksfall, ein Treffpunkt für alle, Jung und Alt, aus allen Berufen und Schichten.

Und dazu der Alte Speicher, der alle Rekorde bricht.

Der hat unseren überschaubaren Betrieb in ein mittelständisches Unternehmen verwandelt, große Ausgaben, große Einnahmen, große Formate, wie etwa das Internationale Jazzfestival. Aber da ist noch Potenzial für große Konzerte. Der Alte Speicher braucht den Vergleich mit der Muffathalle nicht zu scheuen. Dieses Jahr etwa wird Konstantin Wecker kommen.

Welche Herzenswünsche hätten Sie denn noch für die Spielstätten?

Seit Jahren versuche ich, eine Theaterreihe zu etablieren. Das hat bisher leider nicht geklappt, aber in zwei, drei Jahren werde ich es hinbekommen.

Wenn Sie mal fantasieren. Wie wird sich das Kulturleben künftig verändern?

Ich kann mir vorstellen, dass alles spezialisierter wird. Hier nur Kammermusik, da nur Poetry Slams oder Formate für die Altersgruppe 37 bis 42. Das Kabarett wird regionaler werden. Die bayerischen Zuschauer gehen nur zu bayerischem Kabarett, sind weniger risikobereit. Meine Hoffnung ist, dass es wieder mehr private Initiative geben wird. Alles, was man selbst macht, ist erfüllender als Konsum.

Wie viel Zeit investieren Sie in die Kultur?

Mein Wochenende ist der Freitagvormittag (lacht). Aber ich zähle keine Stunden, mir macht das großen Spaß. Ich muss nur rechtzeitig sehen, dass ich das Ganze zukunftsfähig mache und Leute eingearbeitet habe, bevor ich aufhöre.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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