Klarstellung Seehofers:"Im Ausnahmezustand"

Lesezeit: 2 min

CSU-Spitze weist Vorstoß von Bayerns Finanzminister Markus Söder entschieden zurück

Unmittelbar nach der Sondersitzung des Kabinetts, um Punkt 18 Uhr betritt Horst Seehofer (CSU) am Sonntagabend den Pressekonferenzraum in der Staatskanzlei und findet sogleich drastische Worte: Der Freistaat Bayern habe sich in den vergangenen acht Tagen bezüglich der Flüchtlingspolitik in einem "Ausnahmezustand" befunden. "Es gab keine Regeln, keine Ordnung, kein System." Und das "war im Grunde eine Kapitulation des Rechtsstaats".

Aus diesem Grund sei auf die Initiative Bayerns hin am Samstag um 17.30 Uhr eine Telefonkonferenz einberufen worden, an der die Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU teilgenommen hätten sowie der Chef des Kanzleramts, der Außenminister und der Innenminister. Angesichts der sich stündlich zuspitzenden Lage habe man beschlossen, dass von Sonntag 17 Uhr an keine Züge mehr zwischen Österreich und Deutschland verkehren sollten und zudem vorübergehend an der Grenze zwischen Bayern und Österreich Kontrollen stattfinden sollten. Seehofer weiß um die Dramatik seiner Worte und vor allem: um die Dramatik dieser Ankündigung. Und deshalb betont er, dass sich alle Teilnehmer der Telefonkonferenz einig gewesen seien, dass diese Maßnahmen im Moment nötig seien. Gerade auch, was die Kanzlerin anbelangt, die doch vor Kurzem noch gesagt hatte, Deutschland schaffe das, habe er "keine Schwerstarbeit" leisten müssen, um sie zu überzeugen.

Konkret bedeutet das: Der Zugverkehr zwischen Österreich und Deutschland ruht vorerst bis diesen Montagfrüh. Ob er danach wieder aufgenommen wird und in welcher Form, müssten der Bundesinnenminister und der Bundesverkehrsminister entscheiden, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der Seehofer zu der Pressekonferenz begleitet hat. "Wir haben aber nicht vor, den Zugverkehr dauerhaft lahmzulegen." Die Grenzkontrollen bezüglich des Autoverkehrs würden von der Bundespolizei vorgenommen, stellt Herrmann klar. Die würde auch entscheiden, "wer da wann wo was kontrolliert". Er gehe aber davon aus, "dass da keine Totalkontrolle stattfindet", sondern viele einfach durchgewunken würden. Illusionen machen sich Seehofer und Herrmann ohnehin nicht. Natürlich würden weiterhin Flüchtlinge nach Deutschland kommen, "aber der Zustand der letzten Tage, dass niemand mehr einen Überblick hat, wer da wo unterwegs ist, konnte nicht länger hingenommen werden", sagt Herrmann. Er geht davon aus, dass die Kontrollen so lange stattfinden, wie Bedarf ist. Geplant ist, Asylbewerber, die an der Grenze aufgegriffen werden, direkt in eine Erstaufnahmeeinrichtung zu bringen. So würde auch der Bahnhof München entlastet, an dem allein am Wochenende mehr als 12 000 Flüchtlinge ankamen - überwiegend in Zügen aus Österreich. Mit Blick auf das Oktoberfest, das am kommenden Samstag beginnt, sagt Herrmann, Ziel müsse sein, die Flüchtlingsströme möglichst um den Münchner Bahnhof herumzuleiten. "Das geschieht ausdrücklich auch zum Schutz der Flüchtlinge." Denn während des Oktoberfests herrsche "Ausnahmezustand", es gebe "unzählige Schlägereien von Besoffenen". Insbesondere die Flüchtlinge aus muslimischen Ländern seien die Begegnung mit stark alkoholisierten Menschen in der Öffentlichkeit nicht gewohnt.

Zuvor hatte die CSU-Spitze den Vorstoß des bayerischen Finanzministers Markus Söder (CSU) zu einer Einschränkung des Asylrechts zurückgewiesen. "Unter meiner Führung in Bayern wird es keine Initiative zur Verfassungsänderung geben", sagte Seehofer. "An das Grundgesetz wird nicht herangegangen."

© SZ vom 14.09.2015 / dku, wiw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: