Klage gegen Oliver Shanti:Sektenguru unter schwerem Verdacht

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Der Esoterik-Musiker Oliver Shanti soll sich jahrelang an Kindern vergangen haben - jetzt hat die Staatsanwaltschaft München I Anklage erhoben.

Alexander Krug

Auf der Liste der meistgesuchten Straftäter Deutschlands stand er jahrelang ganz oben. Ulrich Sch., alias Oliver Shanti, alias Oliver Serano-Alves, geistiger "Führer" einer zeitweise in München lebenden spirituellen Gemeinschaft, soll sich über Jahre hinweg an mehreren Kindern der Gruppe vergangen haben.

Mit esoterischer Musik soll Ulrich Sch. Millionen verdient haben. (Foto: Foto: oh)

Im Juni 2008 konnte er nach sechs Jahren Fahndung in Lissabon festgenommen werden. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat die Staatsanwaltschaft München I jetzt Anklage gegen den 60 Jahre alten selbsternannten "Guru" erhoben. Die Ankläger werfen Sch. sexuellen Missbrauch von Kindern in 314 Fällen vor, fünf davon in besonders schwerem Fall.

1,86 Meter groß, extrem übergewichtig (140-170 Kilogramm), dunkles, schulterlanges Haar: Mit diesen Daten hatte das Bundeskriminalamt (BKA) seit 2002 Ulrich Sch. mit Zielfahndern gejagt. Seine Festnahme am 28. Juni vorigen Jahres in Lissabon war dann einem Zufall zu verdanken.

Als Sch. in der Konsularabteilung der deutschen Botschaft um eine Verlängerung seines Reisepasses bat, erinnerte sich ein aufmerksamer Mitarbeiter an das Fahndungsfoto und verständigte die Polizeistation um die Ecke. Sechs Tage später saß Sch. bereits in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim.

Den Ermittlungen zufolge hatte sich der gebürtige Hamburger Sch. bereits in den 70er Jahren in Indien mit dem Gedanken getragen, eine "spirituelle Gemeinschaft" zu gründen. Ende der siebziger Jahre zog er mit einigen Anhängern auf einen Bauernhof unweit von Viechtach im Bayerischen Wald und später in die Herzog-Wilhelm-Straße nach München.

Von hier und vom nahe gelegenen Fischbachau im Landkreis Miesbach aus startete er auch unter dem Label "Sattva" eine bizarre Musikkarriere mit esoterischen Klängen. Sie brachte ihn in Kontakt mit renommierten Künstlern und soll ihm angeblich zu Millioneneinkünften verholfen haben. Bei Kritikern kam er allerdings weniger gut an. Sie spotteten über den "Dieter Bohlen der Esoterik-Szene" und lästerten über seine "akustische Umweltverschmutzung".

Mitte der 80er Jahre zog die Gemeinschaft nach Vila Nova de Cerveira im Norden Portugals unweit der Grenze zu Spanien. Dort soll Sch. seine unumstrittene Position als Oberguru in der streng hierarchisch organisierten Landkommune systematisch dazu benutzt haben, die minderjährigen Kinder seiner Anhänger zu missbrauchen.

In den Jahren 1985 bis 1998 verging er sich der Anklage zufolge an insgesamt vier Buben und zwei Mädchen. Zum Zeitpunkt des Missbrauchs waren sie zehn oder elf Jahre alt, heute sind die Opfer Erwachsene und leiden noch immer unter den Folgen der Übergriffe. Möglicherweise ist die Zahl der Opfer von Sch. noch weit größer, doch auch für die jetzt angeklagten Fälle drohen Sch. bis zu 15 Jahre Haft.

Sch. habe "schon immer ein Gespür für die Schwachpunkte der Menschen" gehabt, zitierten Medien nach dessen Festnahme ein Opfer. Er habe sich die Kinder schon auf dem Bauernhof in Viechtach "herangezüchtet" und dann in Portugal die Abhängigkeit seiner Anhänger gezielt für seine Zwecke ausgenutzt. "Das war ein System mit strenger Hierarchie. Sch. hat seine Anhänger methodisch eingeschüchtert und sie massiv unter Druck gesetzt", erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Anton Winkler, zum Zeitpunkt der Festnahme.

Damals wurden aber auch Vorwürfe laut, wonach die Ankläger schon viel früher Hinweise auf sexuellen Missbrauch des Sektengurus hatten, diesen aber nicht konsequent nachgegangen waren.

Der Prozess gegen Ulrich Sch. alias Oliver Shanti soll nach SZ-Informationen voraussichtlich Anfang August beginnen. Der Termin steht aber noch nicht endgültig fest.

© SZ vom 20.04.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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