Kirche prüft Seligsprechung:Standhaft, von Anfang an

Lesezeit: 2 min

Der Widerstandskämpfer Willi Graf wäre heute 100 geworden

Von Jakob Wetzel

Welche Gefahr ihm drohte, das wusste Willi Graf genau, aber er nahm sie in Kauf, er konnte wohl nicht anders. "Du weißt, dass ich nicht leichtsinnig gehandelt habe, sondern aus tiefer Sorge und dem Bewusstsein der ernsten Lage", diktierte er kurz vor seinem Tod einem Kaplan an seine Schwester Anneliese; der Geistliche schmuggelte den Brief aus dem Gefängnis. Graf bat seine Schwester, den Freunden, denen er ja kein Zeichen hinterlassen konnte, bei günstiger Gelegenheit auszurichten, sie "sollen weitertragen, was wir begonnen haben". Der Tod aber sei nicht das Ende, sondern "der Anfang wahren Lebens", und er sterbe "im Vertrauen auf Gottes Willen".

Er bewundere Willi Graf auch wegen solcher Zeilen, sagt Karl Kern, Jesuitenpater und Kirchenrektor von St. Michael in der Altstadt. Seit vier Jahren, als er sich zum 70. Todestag des Widerstandskämpfers der "Weißen Rose" mit dessen Leben beschäftigte, bemühe er sich darum, dass die katholische Kirche Graf als Märtyrer seligspreche, sagt Kern. Darin ist er jetzt einen großen Schritt weitergekommen: Die Kirche will sein Anliegen prüfen. Zum Auftakt feiert er selbst an diesem Dienstag, an dem Graf 100 Jahre alt geworden wäre, einen Gottesdienst in seiner Michaelskirche.

Für seine Klarsicht bewundere er den Widerständler, sagt Kern, für seinen festen Glauben und für seine Haltung, lieber in den Tod zu gehen als dieses Regime gewähren zu lassen - und das mit nur 25 Jahren. Tatsächlich ging Graf ohne große Umwege in den Widerstand, anders als etwa Hans und Sophie Scholl, die zunächst begeisterte Mitglieder der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel waren. Graf dagegen konnte den Nazis und ihrer Ideologie von Anfang an nichts abgewinnen.

Graf wuchs in Saarbrücken auf. Sein Elternhaus war streng katholisch - allein damit lässt sich sein Widerstand freilich nicht erklären, im Gegenteil: Sein Kampf war der eines einzelnen Katholiken, nicht der Kirche. Jene rief damals ebenso wie die evangelische Kirche zu Pflichterfüllung und Loyalität gegenüber dem Regime auf. Grafs Vater trat 1935 in die NSDAP ein; die Eltern versuchten gar, ihren Sohn zu überreden, um seiner beruflichen Zukunft willen der Hitlerjugend beizutreten.

Willi Graf aber blieb bei seinem Nein. Er blieb der katholischen Jugendbewegung "Bund Neudeutschland" treu. Nach dessen Verbot war Graf Mitglied im "Grauen Orden", einer ebenfalls illegalen Nachfolgeorganisation, obwohl er dafür einmal wegen "bündischer Umtriebe" von der Gestapo verhaftet wurde. Freunde, die weniger standhaft waren als er, strich Graf mit dem Vermerk "Ist in der HJ" aus seinem Adressbuch. Folgt man Biografen, ging Willi Graf zunächst in die innere Emigration. Doch als er 1942 erleben musste, wie deutsche Soldaten an der Ostfront wüteten, wurde ihm klar, dass das nicht reichte.

Schon seit dem Frühjahr 1942 war Graf in Kontakt mit Mitgliedern der "Weißen Rose". Nach seiner Rückkehr aus dem Osten beteiligte er sich an deren Widerstand und übernahm dabei die gefährlichsten Aufgaben. Mit anderen schrieb er nachts Parolen an Hauswände, mit gefälschten Passierscheinen reiste er in andere Städte, um dort Flugblätter zu verteilen. Und mit Hilfe seiner Kontakte in die katholische Jugendbewegung versuchte er, um Mitstreiter zu werben. Im Februar 1943 wurde Graf verhaftet; am 12. Oktober wurde er als letzter aus dem inneren Kreis der "Weißen Rose" hingerichtet. Ein halbes Jahr lang versuchte die Gestapo, Informationen über Mitwisser und weitere Widerständler aus ihm herauszupressen, aber er blieb standhaft; es wurde niemand verhaftet, weil Graf ihn verraten hatte.

Begraben liegt Willi Graf in Saarbrücken. Dass das Münchner Erzbistum für seine mögliche Seligsprechung zuständig ist, liege am Ort von Grafs Martyrium, sagt Kern.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: