Kindheit:Plötzlich war es weg

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Der einstige Ort Franzheim - hier noch mit den Hof- und Häusernamen - ist von den Landkarten verschwunden. (Foto: privat)

Manfred Pointner erinnert sich ans Elternhaus in Franzheim. Dort, wo jetzt die Startbahn Süd liegt, stand sein Elternhaus.

Von Birgit Goormann-Prugger, Flughafen

Manfred Pointner ist jetzt 74 Jahre alt. Dort, wo jetzt die Startbahn Süd liegt, stand einst sein Elternhaus, ein kleiner Bauernhof. Das war in Franzheim, dem Ort, den es nicht mehr gibt, der abgesiedelt werden musste für den Bau des Flughafens. Vor 40 Jahren war Manfred Pointner 34 Jahre alt, als sein Elternhaus, in dem er geboren wurde, von einem Tag auf den anderen weg war. "Ich wohnte damals schon in Neufahrn, unser Haus stand schon leer, aber ich bin immer wieder durchgefahren, habe Äpfel oder Kirschen gepflückt". Eines Tages sei es nicht mehr da gewesen, "da war nur noch eine freie Fläche, das hatte dann schon etwas Endgültiges, obwohl es ja klar war, dass es einmal passieren würde", erinnert sich der frühere Freisinger Landrat.

In all den Jahren seit dieser Zeit hat er immer wieder zurückgedacht, wie es war als Kind in Franzheim. "Auch heute noch manchmal, wenn auch nicht mehr so oft wie früher, es sind mit den Jahren andere Dinge dazugekommen". Fremden erzählt er manchmal von seiner Kindheit in Franzheim. "Meistens von meinem Schulweg, 13 Kilometer einfach, nach Freising mit dem Fahrrad, bei Wind und Wetter, im Winter und im Sommer, ganz schön happig für einen Zwölfjährigen." Er kann sich noch gut an die Zeit erinnern und an seine Heimat, die es nicht mehr gibt. "Ich könnte auch heute noch sofort auf der Karte zeigen, wo Franzheim lag".

Manfred Pointner wurde am 5. Februar 1943 in Franzheim geboren, im dortigen Wirtshaus getauft, absolvierte das Freisinger Dom-Gymnasium und wurde Jurist, erst bei der Regierung von Oberbayern, später im Freisinger Landratsamt und dann wieder bei der Bezirksregierung. 1984 wurde er zum Hallbergmooser Bürgermeister gewählt, 1996 zum Freisinger Landrat. Das blieb er bis 2008. Danach saß der Franzheimer bis 2013 für die Freien Wähler im Landtag.

1969 war im Radio gemeldet worden, dass die bayerische Staatsregierung den Ersatzflughafen für Riem im Erdinger Moos bauen möchte. Franzheim, das stand damit fest, würde für die Startbahnen zubetoniert werden. Dem Ort stand die Absiedlung bevor. 70 Anwesen gab es damals. Im Mai 1977 protestierten mit dem Bund Naturschutz und den vereinigten Bürgerinitiativen 1000 Menschen in Franzheim gegen den Flughafen. Es half nichts. Die Franzheimer Familien wurden zwischen 1969 und 1979 nach und nach umgesiedelt, viele begannen ein neues Leben in umliegenden Orten - zum Teil gemeinsam in neuen Siedlungen. Doch mit dem Verschwinden ihres Dorfes war der Kampf um das Erdinger Moos nicht entschieden. Insgesamt vergingen nach der Standortentscheidung noch 23 Jahre, bis der neue Münchner Flughafen 1992 eröffnet wurde.

Der Autor Bernd Schroeder, geboren 1944 in Tschechien und aufgewachsen in Fürholzen bei Neufahrn im Landkreis Freising, hat 1993 mit seinem Erstlingsroman "Versunkenes Land" Franzheim und seinen Menschen ein Denkmal gesetzt. "Versunkenes Land" ist kein politischer Roman, seine Figuren erzählen von den großen und kleinen Tragödien und Komödien in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und danach. "Hast du gehört, sie verkaufen alle?", heißt es auf der letzten Seite des Buches. Da kommen die Vermesser für den projektierten Großflughafen. "Sie haben ihn sich in den Kopf gesetzt, also werden sie ihn bauen", antwortet eine alte Bäuerin.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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