Kindesentführung:Ende einer Odyssee

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Glückliches Ende eines Familiendramas: Nach neun Monaten Geiselhaft in Afghanistan ist der zehnjährige Timur nach München zurückgekommen. Der Vater hatte den Bub verschleppt, um sich an seiner "ungehorsamen Frau" zu rächen.

Susi Wimmer

Nach neun Monaten Geiselhaft in Afghanistan ist der zehnjährige Timur am Donnerstagabend am Münchner Flughafen gelandet. Gegen 21.15 Uhr kam die Maschine aus Dubai an. Polizisten führten den erschöpften Jungen in ein Nebenzimmer des Ankunftsbereichs. Dort führten sie ihn mit seiner Mutter zusammen.

Zu Hause: Timur und der Leiter der Afghanistan-Kinderhilfe, Reinhard Erös, nach Ankunft des Buben am Münchner Flughafen. (Foto: Foto: ddp)

Der Bub war nach Angaben der Polizei im Auftrag seines Vaters Mohammad Rahimi ins Ausland verschleppt worden. Mit der Entführung wollte sich Rahimi an seiner "ungehorsamen" Frau rächen. "Wir haben deutlich gezeigt, dass wir derartige Handlungsweisen nicht dulden", sagte Josef Wilfing, Leiter der Münchner Mordkommission, der SZ.

Glückliches Ende einer Odyssee

Dass Timurs Odyssee ein glückliches Ende nahm, verdankt er der Hartnäckigkeit der Münchner Mordermittler. In monatelanger Kleinarbeit gelang es ihnen, den Buben in Andkhoy im Norden Afghanistans aufzuspüren. Mohammad Rahimi hatte den Jungen nach Istanbul und später zu Angehörigen nach Afghanistan verschleppen lassen.

Rahimi ist gebürtiger Afghane usbekischer Abstammung, war 20 Jahre in Deutschland gemeldet und leitete eine Fabrik in Usbekistan. In München lebt ein großer Teil seines etwa 200 Menschen umfassenden Clans, als dessen Oberhaupt er gilt.

In der usbekischen Hauptstadt Taschkent hatte Rahimi vor zehn Jahren die damals 20-jährige Olesya kennengelernt. Bereits nach einem Jahr kam Sohn Timur zur Welt. Olesya studierte Medizin und praktizierte darauf in Taschkent als Nierenspezialistin. Die Beziehung ging 2006 in die Brüche, als Mohammad Rahimi eine neue Frau ins Haus brachte.

Er erpresste die Mutter, ihn zu heiraten

Nach SZ-Informationen wurde Rahimi im vergangenen Jahr wegen Verstoßes gegen die Ordnung des Landes aus Usbekistan ausgewiesen. Er kam nach München und erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft. Nun wollte er Timur und Olesya nach München holen.

Olesya weigerte sich: Sie wollte in Usbekistan bleiben, sich von Rahimi trennen und keinesfalls als eine von mehreren Frauen im Rahimi-Clan leben. Daraufhin ließ Rahimi Timur entführen und erpresste Olesya, ihn in Dänemark zu heiraten. Danach brach er sein Versprechen und ließ das Kind auch weiterhin verstecken.

"Wir haben im Umfeld der Familie ermittelt und vier Familienmitglieder wegen Beihilfe zur Geiselnahme verhaftet", erzählt Josef Wilfing. Das brachte offenbar Teile des Clans zur Einsicht. Ein Verwandter flog nach Afghanistan, brachte den Buben nach Pakistan und übergab ihn einem Mitarbeiter der Afghanistan-Kinderhilfe.

Deren Leiter Reinhard Erös nahm Timur am Dienstag in Empfang und flog mit ihm nach München. Dort lobte er das Engagement der Polizisten - diese hätten Geld gesammelt, um die Rettungsaktion zu bezahlen. Die Hälfte der etwa 10000 Euro für Flüge, Übersetzer und Helfer aller Art kam so zusammen.

© SZ vom 24.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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