Kindertagesstätten in München:Die Macht der Sprache

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München bietet in Kindertagesstätten ein Programm an, um die Integration von Kindern und Eltern mit Migrationshintergrund zu erleichtern. Erste Erfolge sind sichtbar.

Christian Rost

Die Diskussion um die Integration von Ausländern ist voll entbrannt: Auslöser waren die umstrittenen Äußerungen des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin, der arabische und türkische Einwanderer als "integrationsunwillig und -unfähig" abtat. Per Gesetz will die künftige Regierungskoalition aus CDU und FDP die Integration regeln. So sollen Zuwanderer früh zu Sprachkursen verpflichtet werden. Die Stadt München bietet bereits ein Maßnahmenbündel wie die frühe Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen an, um die Eingliederungen von Migranten in die Gesellschaft zu erleichtern. Erste Erfolge sind sichtbar.

Szene aus einer Kindertagesstätte in Deutschland: Integrationsprojekte zeigen Erfolge. (Foto: Foto: dpa)

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In München besuchen überdurchschnittlich viele Kinder aus zugewanderten Familien Kindergärten: Bundesweit liegen die Besuchsquoten von Kindern mit Migrationshintergrund sowohl in Krippen wie auch in Kindergärten deutlich unter denen deutscher Kinder. In der Landeshauptstadt, wo bereits 50,4 Prozent der unter Sechsjährigen einen Elternteil nichtdeutscher Herkunft haben, ist zumindest beim Kindergartenbesuch ein Erfolg zu verzeichnen. Die Besuchsquote entspricht je nach Stadtgebiet entweder dem durchschnittlichen Bevölkerungsanteil oder liegt mit bis zu 58 Prozent sogar deutlich darüber. Bei den Krippen fällt die Akzeptanz zwar noch nicht so groß aus: Die Betreuungseinrichtung für bis zu Dreijährige sind immer noch überwiegend von Kindern aus deutschen Akademikerfamilien belegt. Allerdings dürfte hierbei eine Rolle spielen, dass es mit einem Versorgungsgrad von stadtweit 21 Prozent nach wie vor viel zu wenige Krippenplätze in München gibt. Die Kindergärten bieten Plätze für 84 Prozent aller Drei- bis Sechsjährigen.

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Gründliche Ausbildung der Erzieherinnen: "Die Bildungsgrundlagen werden in den ersten Lebensjahren gelegt" - so sieht es das bayerische Kultusministerium, das im Kindertagesstättengesetz den Schwerpunkt "Sprache" geschaffen hat. Landesweit werden bis 2011 fast 45 Millionen Euro für die Sprachberatung von pädagogischen Teams ausgegeben, die Landeshauptstadt legt für ihr Personal noch 1,3 Millionen Euro drauf. In München besuchen die Sprachberater Krippen, Kindergärten, Häuser für Kinder, Eltern-Kind-Initiativen, Horte, Tagesheime, Kooperationseinrichtungen und Tageszentren. Außerdem wird das Betreuungspersonal vom Pädagogischen Institut der Stadt und dem Lehrstuhl für Bildung und Erziehung der Hochschule München weitergebildet.

Reden ist besser als Testen und Programmieren: Die Erzieher in den Kitas sind angehalten, möglichst viel mit den Kindern zu kommunizieren. Das geschieht immer ein wenig über dem aktuellen Sprachniveau der Kinder: Alle Handlungen und alltäglichen Verrichtungen werden vom Personal sprachlich begleitet. So lernen die Kinder nicht nur von Kindern, durch das gelenkte Angebot werden sie Zug um Zug auf der lexikalischen, grammatikalischen, morphologischen, phonologischen und pragmatisch-diskursiven Ebene gefördert. Genormte Sprachtests und Programme lehnt die Stadt ab: Kinder entwickelten ihre Sprache dadurch keinesfalls besser.

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Sprachreisen für Kinder und Kurse für Eltern: Der Vorkurs Deutsch mit je 120 Stunden im Kindergarten und in der ersten Schulzeit hilft Migrantenkindern beim Übergang. Und schon im Kindergarten ist das Sprachförderangebot groß: Sprachreisen ins Kindergartenlandheim nach Oberaudorf oder das Projekt "Geschichten-Werkstatt" - Kinder erfinden und erzählen Geschichten - gehören dazu. Aktionstage zu Themen wie Wald, Burg, Bauernhof oder Bach verfestigen den Wortschatz. Bei "Kindergarten mal anders" werden Eltern enger an die Kitas gebunden. Das Projekt beinhaltet auch Sprachkurse für zugewanderte Mütter und Väter. Überdies laufen aktuell acht Frauenintegrationskurse, die Mütter während der Kita-Zeiten besuchen können. Dadurch soll auch die Kommunikation zwischen Müttern und Erzieherinnen verbessert werden.

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Mehr Geld für Kitas in sozial schwachen Gebieten: Um eine bessere Chancengleichheit zu erreichen, entwickelt die Stadt eine neue Förderformel für ihre Betreuungseinrichtungen. Kitas in sozial schwachen Gebieten mit meist hohem Migrantenanteil sollen künftig mit mehr Personal und einem höheren Budget ausgestattet werden. Das Schulreferat geht davon aus, dass ein Viertel aller Kitas in München als besonders förderwürdig eingestuft wird.

© SZ vom 16.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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