Kindergarten-Notstand:Betreuung: Mangelware

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Der Kampf um einen Kindergartenplatz tobt. Manche Eltern lassen ihren Zögling bei bis zu 16 Kindergärten vormerken. Vor allem Berufstätige haben Probleme, den passenden Platz fürs Kind zu finden. Die Stadt aber nennt ihr System "bewährt". Die Leidtragenden des Mangels sind vor allem Mütter.

Birgit Taffertshofer und Joachim Käppner

Eigentlich ist der Kindergarten auch dazu da, den Eltern, vor allem den Müttern, die Rückkehr in der Berufs zu erleichtern; so weit die Theorie. In der Praxis drehen sich Partygespräche unter Eltern abendelang um ein Thema: Wo kriege ich das Kind bloß unter? Wie schaffe ich es nur, einen Platz für den Kleinen zu bekommen, den wir brauchen?

Seit Jahren ist es das gleiche Spiel: Im Frühjahr gehen die Antworten der Kindergärten raus - und die meisten sind Absagen. Sicher, bis zum Start des Kindergartenjahres im September tut sich einiges.

Eltern, die sich mehrere Optionen offen gehalten haben, sagen dem Kindergarten ihrer zweiten und dritten Wahl ab. Am Ende liegt der Versorgungsgrad mit 78 Prozent deutlich höher als bei den Kinderkrippen.

Aber immer noch weit unter den 90 Prozent, die sich die Stadt als Ziel gesteckt hat. Nach deren Rechnungen fehlen noch immer etwa 5000 Kindergartenplätze, obwohl es heute bereits 10000 mehr gibt als 1990.

Nur zwei von drei Kindern kommen unter

Der Kampf um einen Kindergartenplatz tobt laut Schulreferat am härtesten in den Stadtbezirken Pasing, Laim und Allach-Untermenzing. Dort kommen teilweise nur zwei von drei Kindern in städtischen Angeboten unter.

Aber auch in der Maxvorstadt, wo der Versorgungsgrad momentan bei 101 Prozent liegt, stehen Mütter und Väter Schlange. Denn viele Berufstätige müssen ihr Kind nahe des Arbeitsplatzes unterbringen, um jeden Tag pünktlich zum Abholtermin parat zu stehen.

In der Einrichtung an der Türkenstraße 68 entscheidet regelmäßig das Los darüber, an wen die letzten offenen Plätze gehen, erzählt Petra Nass, Vorsitzende des gemeinsamen Kindergartenbeirats. Kein Wunder, meint sie, dass die Kinder mehrfach angemeldet werden: "Eine Mutter erzählte mir, sie habe ihr Kind bei 16 Kindergärten vormerken lassen."

Ruf nach einer zentralen Platzvergabe wird lauter

Ob Hysterie oder notwendige Vorsorge, für Eltern wie Kindergärten bedeuten die Mehrfachanmeldungen enormen Aufwand, kritisiert Nass. Entsprechend laut ist mittlerweile der Ruf nach einer zentralen Vergabe der Plätze, bei der die Eltern ihre favorisierten Kindergärten nach der Priorität ordnen können.

"Durch diese Vernetzung wäre es möglich, jeder Familie den bestmöglichen Kindergarten zuzuweisen", sagt Nass. Doch die Stadt beharrt auf dem "bewährten System". Nur der Zwang zur persönlichen Anmeldung garantiere, dass Eltern den Kindergarten auch wirklich besuchen und die Erzieher die Familien kennen lernen, meint Schulreferatssprecherin Eva-Maria Volland: "Wir verstehen die Einschreibung als Beginn des pädagogischen Prozesses." Immerhin will die Stadt die Software verbessern, so dass die Anmeldeformulare künftig nur noch einmal ausgefüllt werden müssen.

Gute Chancen auf einen Platz in einer städtischen Einrichtung haben allein erziehende Berufstätige. Oder Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind, oder solche in einer Notlage. Stets im Blick haben die Einrichtungen, dass die Gruppen gut durchmischt bleiben. Die Folge kann aber sein, dass ein Vierjähriger aufgenommen wird, dessen Mutter zuhause ist, während der Dreijährige einer Alleinerziehenden keinen Platz bekommt.

17500 Kinder sind in städtischer Obhut, weitere 13500 bei freien Trägern. Doch auch bei den Elterninitiativen erwartet Bewerber ein kräftezehrendes Ritual. Sie müssen sich Auswahlgesprächen aussetzen, Erwartungen formulieren, mit dem Zögling probespielen, um zu beweisen, dass er mit den Kindern in der Gruppe harmoniert.

Zwanzig Bewerber für einen Platz

Manchmal winken die Initiativen ab, weil auf einen freien Platz zwanzig Bewerber warten. Und das trotz der hohen Kosten: Selbst nach der Gebührenerhöhung für die städtischen Angebote werden Eltern für die privaten oft mehr zahlen. Auch viele kirchliche Kindergärten sind deutlich teurer als städtische.

Die Leidtragenden des Mangels sind vor allem Mütter, die arbeiten wollen, aber nicht können, weil sie keinen Betreuungsplatz finden. Und selbst wer wirklich Glück hatte, dem bleibt das Problem der Öffnungszeiten. Büro- und Kindergartenschluss, meist 17 Uhr, liegen oft so nahe beieinander, dass die Fahrt durch die Rush Hour zu purem Stress wird.

Ein Physiker, der im Stau hängen blieb und zehn Minuten zu spät eintraf, bekam im Münchner Norden zu hören: "Wenn das nochmal passiert, stellen wir das Kind vor die Tür und rufen das Jugendamt."

© SZ vom 21. 7. 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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