Kinderbetreuung:Eltern hadern mit dem Kita-Finder

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Kita-Plätze sind in München nach wie vor rar - daran ändert auch der Online-Finder nichts. (Foto: dpa)

Viele Eltern verzweifeln bei der Suche nach einem Kita-Platz in München. Die zentrale Online-Anmeldung sollte für Erleichterung sorgen, doch verbessert hat sich bisher nur wenig. Nun setzt die Stadt auf ein neues System.

Von Melanie Staudinger, München

Zuerst war da nur der leichte Frust, dann kamen die schlaflosen Nächte und schließlich die pure Panik: Bei 63 Kindergärten in München hat Anna L. ihre Tochter angemeldet - 63 Einrichtungen sagten der alleinerziehenden Mutter ab. "Ich hatte monatelang Angst, dass ich meinen Job aufgeben muss", sagt sie. Anna L. versuchte viel: Sie hielt schon ein Jahr vor der Anmeldung Kontakt mit zwei ihrer Wunscheinrichtungen, schaute dort immer mal wieder vorbei. Sie ließ ihr Kind im neuen Online-Portal der Stadt vormerken. Sie rief ständig in Kindergärten an und fragte, ob nicht doch noch ein Platz frei wäre. "Die Erzieher waren immer sehr nett, irgendwann aber habe ich nur noch gebettelt", sagt Anna L.

Kinderbetreuung in München
:Online zum Kitaplatz

Die Suche nach einem Krippen-, Kindergarten- oder Hortplatz soll durch den Kita-Finder deutlich leichter werden. Zwei Wochen nach Start sind bereits 5000 Kinder angemeldet. Bis zum Frühjahr will die Stadt das Angebot ausbauen.

Von Melanie Staudinger

Anna L. ist ein gravierendes Beispiel, aber kein Einzelfall in der Stadt München. 20, 25 oder gar mehr als 30 Absagen sind keine Seltenheit. "Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass niemand mein Kind will", erzählt eine Mutter, die erst nach 38 Anläufen erfolgreich war und ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Ein Vater berichtet, dass er sein Kind nicht in der Wunscheinrichtung anmelden konnte. "Die haben uns gleich an das Online-System verwiesen, als wir persönlich da waren", sagt er.

Wenig Änderung mit dem Online-Finder

Wer in der bayerischen Landeshauptstadt einen Kita-Platz braucht, muss Nerven, Geduld und vor allem Flexibilität mitbringen. Die Stadt wollte mit ihrem neuen Kita-Finder, der im vergangenen November gestartet ist, alles besser machen. Schneller sei die Online-Vormerkung, übersichtlicher und leichter zu bedienen. Die Realität bisher zeigt vielen Eltern allerdings, dass sich recht wenig verändert hat. Noch immer warten sie lange auf ihre Absagen, um dann noch länger einem Alternativangebot entgegenzusehnen. Wer im September einen Platz braucht, kann froh sein, wenn er noch vor den Sommerferien Bescheid bekommt.

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:Mausklick statt Marathon

Übers Internet zum Kita-Platz - das geht in München ab November. Bisher sind allerdings nur städtische oder städtisch geförderte Einrichtungen erfasst. Und eine Garantie für einen Platz ist die neue Plattform auch nicht.

Von Melanie Staudinger

Das liegt zum einen daran, dass die gut 1200 Kitas immer noch nicht ausreichend Plätze für alle bieten. Zum anderen aber ist auch die Vergabe der Plätze kompliziert: Bei der Stadt sind Kriterien wie das Datum der Vormerkung, die Dringlichkeit und die altersgemäße Ausgewogenheit in der Gruppe ausschlaggebend - die Tatsache, dass jemand sein Kind alleine großzieht wie Anna L., ist zunächst unerheblich. "Man hat mir gesagt, dass man das nicht überprüfen könne", sagt die Mutter.

Neues System kommt im Herbst

Zahlen, wie viele Familien im ersten Durchgang eine Absage für einen Krippen-, Kindergarten- oder Hortplatz bekommen, hat das Bildungsreferat nicht, weil die Absagen vom jeweiligen Träger der Einrichtung und nicht zentral versandt werden. Unversorgte Familien sollten sich bei der Elternberatungsstelle der Stadt melden, empfiehlt eine Sprecherin. Insgesamt hätten 35 155 Eltern im Zeitraum von November bis April ihre Kinder im Internet für durchschnittlich vier Kitas vorgemerkt. Das mache mehr als 140 000 Fälle, die abgearbeitet werden müssten. Wie dringend Eltern Hilfe benötigen, zeigt die neueste Statistik der Elternberatungsstelle, die sich um alle Betreuungsfragen von der Geburt bis nach der Grundschule kümmert. Die Mitarbeiter haben in diesem Jahr schon mehr als 14 000 Kontakte mit Familien gezählt - 9150 davon am Telefon, 2900 per E-Mail und 2000 Besuche. Wegen des Streiks in den Kitas verzögerte sich die Beratung.

Zum kommenden Anmeldezyklus, der im November beginnt, wird der Kita-Finder durch ein neues Online-System ersetzt, das den gesamten Anmeldeprozess für alle Beteiligten vereinfachen soll, wie eine Sprecherin des Bildungsreferats betont. Es werde ein eigenes Elternportal geben, freie Plätze würden in einem Ampelsystem angezeigt. "Der gesamte Vergabeprozess wird beschleunigt", verspricht das Referat. Anna. L. bringt das neue System erst einmal nichts. Sie hat mittlerweile einen Platz gefunden, durch "reinen Zufall", wie sie sagt. Im Kindergarten hätten sie wegen des Poststreiks die Nachrückerplätze verlost. "Die Leiterin hat zum Glück meine Bewerbung aus dem Stapel gezogen", sagt sie. In drei Jahren aber wird das Ganze für sie wohl von vorne losgehen - dann braucht die Tochter einen Hortplatz.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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