Kein Transrapid in München:"Jetzt machen wir ein Fass auf"

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Die Anwohner an der geplanten Transrapidtrasse sind erleichtert, manche können es noch nicht glauben.

Philipp Crone

Selbst die Vögel scheinen heute besonders glücklich zu sein, so laut, wie sie singen. Und das ist auch das Einzige, was hier Lärm macht. In ruhigen Momenten kann man an der Heidelerchenstraße in Feldmoching die Regentropfen auf Blätter und Wiesen klatschen hören. Die Straße ist eher ein Feldweg. Statt Autolärm gelegentliches Hundebellen, am lautesten ist der Vogelgesang auf der den Häusern abgewandten Straßenseite.

Hier liegt ein Grünstreifen mit Bäumen und Sträuchern. Könnte man durch die Zweige nicht den Olympiaturm erspähen, es wäre eine Dorfidylle irgendwo in Bayern. Die Familie Moritz hat einen schönen, weiten Blick aus ihrem neu gebauten Haus. Beinahe wäre dieser Ausblick demnächst nach knapp zehn Metern an einer Mauer zu Ende gewesen.

Die Erleichterung darüber, dass der Transrapid nicht gebaut wird, ist Fredy Moritz anzuhören. "Ich werde heute Abend ein Fass aufmachen", sagt der 43-Jährige lachend. Denn sein erst vor vier Jahren gebautes Haus hätte einen Rekord gehalten: Es wäre am nächsten dran gewesen an der Trasse, "nur 35 Meter entfernt". Permanent hat Moritz in den vergangenen Jahren daran gedacht, "ich habe mir täglich Sorgen gemacht".

Die Nachricht sei eine Befreiung. Doch hatte der Versicherungskaufmann die Hoffnung nie fahren lassen, dass es genau so ausgeht wie jetzt eingetreten. "Ich dachte mir immer, dass der Transrapid teurer wird." Er habe ja gewusst, dass die ursprünglichen Gutachten, die die Kosten auf 1,85 Milliarden Euro bezifferten, aus dem Jahr 2002 stammen. "Und ich hatte auch das Gefühl, dass die neue bayerische Staatsregierung nicht für dieses Projekt war, das war doch Stoibers Kind."

Als er dann hörte, dass die Gutachten mit Festpreisen kalkuliert hatten, wuchs seine Hoffnung weiter. "Das macht doch keine Firma, sich an Preisen, die 2002 kalkuliert worden sind, zu orientieren."

Ein paar Meter weiter wohnt die Familie Reinhart, hier ist der Sekt schon kalt gestellt. Rentnerin Edith Reinhart, 68, hatte ganz einfach Angst um ihr Haus. "Die Grundmauern sind von 1926, wir haben befürchtet, dass bei dem Zugverkehr unser Haus Risse bekommt, weil es die Belastung nicht aushält." Sie fühlte sich immer schlecht informiert. "Es hieß, dass eine Lärmschutzmauer gebaut wird, die zweieinhalb Meter hoch ist. Aber der Transrapid fährt doch auf 2,5 Meter Höhe?"

Ihre Bedenken haben die Reinharts im vergangenen Jahr bei der Anwohner-Anhörung vorgebracht. "Die Reaktion darauf war gleich Null." Selbst bei dem Argument, dass die Kalkulation von 1,85 Milliarden Euro Kosten aus dem Jahr 2002 stammten. Ehemann Manfred sagt: "Und bisher ist doch noch jedes Projekt teurer geworden, man denke nur an den Flughafen."

Die Reinharts planen ein Straßenfest für den Sommer; Familie Moritz macht ein Fass auf; und die Familie Kellner? Bernhard Kellner, 38, hat am gestrigen Donnerstag gleich Gratulations-E-Mails bekommen, und auch die Eltern wussten schon Bescheid. Kellners Mutter ist vor 74 Jahren in dem Haus an der Heidelerchenstraße geboren worden.

"Wir haben uns einfach riesig zusammen gefreut", sagt der Sohn. "Ich kann es noch gar nicht glauben." Nach so viel Wut und Resignation, etwa über die Lärmberechnungen. "Es hieß, dass der Transrapid so leise ist." Aber die Messung sei ein Witz gewesen. "Gemessen wird von dem Moment an, in dem der Zug vorbeifährt und dann fünf Minuten. Die Lärm-Summe wird dann gemittelt." Klar, dass da ein geringer Wert herauskomme. Aber der Moment, in dem der Zug vorbeifährt, wäre eben doch extrem laut gewesen.

Und so wird's an diesem Abend sein: Leise ist es im Garten von Fredy Moritz. Mit der Familie sitzt er auf der Terrasse, blickt durch die Bäume rüber zum Olympiaturm, auf der anderen Seite kann er noch das Baumhaus vom Nachbargrundstück erkennen. Das Fass ist offen, und dass es kühl und feucht ist, stört die Familie Moritz nicht. Sie blicken über den Gartenzaun, weit können sie schauen; und dazu klingt der Gesang der Vögel. Fredy Moritz sagt: "Zum ersten Mal seit langem sitze ich hier ohne Sorgen. Das ist wie ein Sechser im Lotto."

© SZ vom 28.03.2008/ngh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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