Karl-Valentin-Orden für Fußballer Philipp Lahm:Der Namenspatron wird's nicht komisch finden

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SZ-Lesern gefällt nicht, welche bisweilen humor-ferne Promi-Parade da im Zeichen eines großen Münchner Künstlers veranstaltet wird

Schon komisch, wen die Narrhalla alles mit dem Valentin-Orden auszeichnet... (Foto: Catherina Hess)

"Karl-Valentin-Orden für Philipp Lahm" vom 3. November:

Karl Valentin protestiert

Der Valentin-Karlstadt Förderkreis "Saubande" und die "Karl-Valentin-Gesellschaft" haben von Karl Valentin einen Protestbrief erhalten, in dem sich der geniale Tragikomiker zur Verleihung des Valentin-Narrhalla-Ordens (2018) an den Fußballer Philipp Lahm äußert - siehe nachfolgender Text:

"Mit weinenden Händen nehme ich den Federhalter in meine Hände und schreibe Euch wegen des Ordens, dem Ihr, ohne mich zu fragen, 1973 meinen Namen verpasst habt und den ihr seither jährlich verleiht, und das auch noch im Fasching, mit dem ich so viel zu tun habe wie der Teufel mit dem Jesuskind. Deshalb wundert es mich, dass ausgerechnet ein Orden der Faschingsgesellschaft Narrhalla nach mir benannt wurde und an Leute vergeben wird, nur weil sie angeblich eine ,humorvolle oder hintergründige Bemerkung im Sinne von Karl Valentin' gemacht haben. Doch über Aussprüche wie: ,Das können Sie alles senden!' von einem gewissen Seehofer oder über Maria Furtwänglers Äußerung: ,Ich habe mich so darauf konzentriert, was für ein Gesicht ich mache, wenn ich ihn nicht bekomme, dass mein Kopf jetzt ganz blutleer ist', kann ich nur weinen. Und dass die Boxer Vitali und Wladimir Klitschko ,für ihr komödiantisches Talent, das die beiden in Werbespots unter Beweis stellen' den Orden bekommen haben, war ein K.O.-Schlag für mich. Ich wüsste auch nicht, welche Gemeinsamkeiten Iris Berben, Aenne Burda oder der Schlagersänger Heino mit mir haben, oder Politiker wie F. J. Strauß, Helmut Kohl oder Stoiber! Wegen deren Äußerungen hab ich mich in meinem Grab in Planegg schon längst zu Staub rotiert.

2018 erhält nun der berühmte Comedian Philipp Lahm Euren Valentin-Orden für den erschütternden Ausspruch: ,Die meiste Luft hat der Ball.' Mich hat es vor Lachen zerrissen! Das erlaube ich aber nur, wenn im Gegenzug Alexander Dobrindt als bester Fußballer des Jahres gekürt wird. Seine verschossenen Elfmeter sind einfach unbeschreiblich.

Ja, worum geht es Euch bei der Valentin-Ordensverleihung denn eigentlich? Wirklich um mich und meine Kunst, mit der ich nicht nur Kurt Tucholsky, Bert Brecht, Oskar Maria Graf, sondern auch viele andere begeistert habe? Oder wollt Ihr mich nur als Vehikel zwangsmissbrauchen, um durch die Auszeichnung werbewirksamer Schickimickis die Narrhalla selbst Jahr für Jahr ins Spotlicht der Öffentlichkeit zu rücken? Ich lege Euch deshalb dringend ans Herz, den "Karl Valentin-Orden" in "Narrhalla- oder Promi-Orden" umzubenennen. Dann könnt Ihr auszeichnen, wen immer Ihr wollt, meinetwegen sogar den geistreichen Dieter Bohlen, das schrecklich glamouröse Ehepaar Geißen oder die unheimlich humorvolle Daniela Katzenberger.

Doch wenn Ihr Euch dazu nicht aufraffen könnt, dann bitt ich Euch, dass ihr Euch bei der Auswahl künftiger Valentin-Ordensträger ernsthaft darum bemüht, dass die von Euch Auserwählten wenigstens ein bisserl was mit mir zu tun haben, wie das etwa bei Werner Fink, Vicco von Bülow, Ephraim Kishon und einigen anderen der Fall war, die Ihr früher ordensverziert habt, als Ihr noch bei Trost wart. Eine dümmliche Äußerung allein oder eine augenblickliche Popularität reichen bestimmt nicht aus. Ihr macht sonst mich, die Weltstadt München und nicht zuletzt Euch selbst lächerlich.

Ich schließe mein Schreiben mit einigen Grüßen und dem Ruf: ,Nieder mit dem Aschermittwoch - nieder mit dem Karneval - es lebe der erste April!'"

Karl Valentin

Recht hat er, der Valentin, das meinen auch die Mitglieder der "Karl-Valentin-Gesellschaft", des Valentin-Karlstadt-Förderkreises "Saubande" und alle Freunde Valentins in München und auf der Welt. Alfons Schweiggert, Karl-Valentin-Biograph, München

Narren-Jury

Für was der Karl Valentin, unser international bekanntester deutscher "Volksphilosoph" und hintergründigster Humorist nicht alles herhalten muss. Mit dem neuen Preisträger macht diese Narren-Jury ihrem Namen wieder alle Ehre - und weiter in der Tradition ihrer Valentin-"Ordensträger" wie zum Beispiel Joseph Kardinal Ratzinger, Jürgen Möllemann¸ Günther Beckstein, die Gebrüder Klitschko und nicht zuletzt Heino. Allesamt bekannt für ihre herausragenden humoristischen Ein- und Ausfälle. Konsequenterweise müsste diese "Gesellschaft" den Preis nächstes Mal an sich selbst vergeben, denn diese Auswahl von "Valentin-Preisträgern" entspricht exakt dem eigenen Anspruch der Faschingsgesellschaft an ihre Preisträger: "...der skurrilsten und hintergründigsten Handlung, welche in der Öffentlichkeit publik wurde". Aber, lieber Karl Valentin, Du brauchst Dich bei dieser Nachricht nicht gleich im Grabe umzudrehen. Der "Orden" wird ja nicht verschenkt, sondern nur verliehen, und somit müssen alle Preisträger den sogenannten Karl-Valentin-Orden irgendwann mal wieder zurückgeben.

PS: Als Jugendlicher habe ich selbst viele Jahre Valentin-Stücke gespielt und 1966 die "Valentinaden-Bühne" in München gegründet. Herbert Becke, Garching

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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