Kardinal Marx' Stiftung:Privatvermögen und Staatsgeld

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Die Diskrepanz zwischen dem, was Bischöfe verdienen, und dem, was die Kirche Missbrauchsopfern bezahlt, wirft kritische Fragen auf

"Der Kardinal setzt ein Zeichen", 5. Dezember:

Der Hartz-IV-Regelsatz als Leistung des Staates beträgt derzeit 432 Euro monatlich. Davon bildet man kein "Privatvermögen". Bischöfe in Deutschland erhalten seit der Säkularisation vor über 200 Jahren vom jeweiligen Landesherrn (heute Bundesland) monatliche "Staatsleistungen", wie Kardinal Marx 13 654 Euro monatlich. Nicht aus der Kirchensteuer als Mitgliedsbeitrag der Katholiken, sondern aus Steuergeldern. Das Bundesland Bayern bezahlt alleine pro Jahr 12 Millionen Euro jährlich für die Gehälter der (Erz-)Bischöfe der vier (!) Diözesen. Aus anderen solchen Staatsleistungen, wie etwa dem "Zuschuss für den Sachbedarf der Domkirchen" in Höhe von 1,5 Millionen Euro ergibt sich allein für dieses Bundesland eine Summe von 50 Millionen Euro jährlich (siehe Auskunft der bayerischen Staatsregierung vom 19. Mai 2020 im Landtag). Bundesweit eine Summe von über 500 Millionen Euro pro Jahr.

Wenn Kardinal Marx nun also aus seinem "Privatvermögen" eine Stiftung für Missbrauchsopfer mit 500 000 Euro gründet, so entspricht dies dem Bezug von 3 Jahren und 2 Monaten seines Steuergehalts - den in dieser Zeit angesetzten Hartz-IV-Regelsatz zu einem "menschenwürdigen Leben" für ihn selbstverständlich abgezogen. Erstmalig war Marx 2001 Bischof in Trier, hat also seither ein Millionenvermögen durch Steuergelder anhäufen können. Offensichtlich nutzt er nun einen Teil dieses Steuergeldes mit seiner Stiftung für den persönlichen Ablasshandel: Denn 2006 hat er als Bischof in Trier selbst einen Missbrauchsfall vertuscht. Was ihn, wie es im SZ-Artikel heißt, "immer noch sehr plagt".

Schon seit der Weimarer Reichsverfassung wehren sich die deutschen Bischöfe mit einem vermeintlichen "Rechtsanspruch" immer wieder gegen die Abschaffung ihrer anachronistischen Gehaltszahlungen durch den säkularen Staat. Zuletzt erfolgreich im Einigungsvertrag von 1990.

Viele Missbrauchsopfer werden sich verhöhnt fühlen, auf "Spenden eines Feudalherrn" angewiesen zu sein, statt selbst einen Rechtsanspruch auf eine angemessene monatliche Rente im vierstelligen Bereich gegenüber der Kirche zu haben. Die Bischöfe praktizieren aber lieber Doppelmoral mit doppeltem Boden. Denn substantielle materielle "Hoffnung und Heilung", so der Name der Marx-Stiftung, beziehen sie offensichtlich nur auf sich selbst.

Prof. Dr. Stephan Kösel, Freiburg im Breisgau

© SZ vom 10.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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