Kampf gegen Zweckentfremdung:Raus bist du noch lange nicht

Lesezeit: 2 min

Über Medizintouristen aus dem Ausland freut sich die Stadt. Sie geht aber gegen Besitzer vor, die ihre Wohnungen nur an sie vermieten. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Stadt bekämpft, dass Wohnungen an Medizintouristen vermietet werden. Zwar gewinnt sie in solchen Fällen immer wieder vor Gericht, es tut sich aber nichts. Denn eine Zwangsräumung ist nicht vorgesehen - auch nicht in der derzeit diskutierten Neufassung des Gesetzes

Von Dominik Hutter

Eigentlich klingt das ja ganz gut: 22 Verfahren hat die Stadt im vergangenen Jahr geführt, um Medizintouristen aus zweckentfremdeten Wohnungen zu vertreiben. Am Arabellapark vor allem, aber auch rund um die Innenstadtkliniken. Und sie hat 22-mal gewonnen. Nur: Wenn es konkret darum geht, die ungeliebten Bewohner loszuwerden, beißen die Mitarbeiter des Sozialreferats auf Granit. "Das Problem besteht darin, die Anordnung auch durchzusetzen", berichtet Elke Englisch von der zuständigen Abteilung des Wohnungsamts. Eine Räumung ist juristisch nicht vorgesehen, und die oft im Ausland lebenden Vermieter sind selten kooperativ. "Viele scheren sich nicht darum", sagt Englisch. Die Wohnung bleibt normalen Mietern dann weiter versperrt, mit Medizintouristen lässt sich mehr Geld verdienen.

In solchen Fällen fühlen sich die Zweckentfremdungs-Detektive der Stadt sehr hilflos. Auch die Nachbarn etwa am Arabellapark seien schon schwer verärgert, wie wenig Handhabe die Stadt bei Zweckentfremdungen habe, klagt Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Dabei handle es sich um ein hochbrisantes Thema, "das sind keine Einzelfälle". Es brauche ein wirkungsvolles Instrument, "um solche Räumungen zu vollziehen, auch wenn in der Wohnung jemand hockt, der nur mittelbar etwas dafür kann". So, wie es in Nordrhein-Westfalen bereits möglich ist.

Die Gelegenheit für eine Gesetzesverschärfung wäre eigentlich günstig: Denn das aktuelle bayerische Zweckentfremdungsgesetz läuft zum 1. Juli aus, am Donnerstag diskutiert der zuständige Ausschuss des Landtags in zweiter Lesung über eine Neufassung. Die Räumung illegal vermieteter Wohnungen kommt darin nicht vor. Das neue Gesetz sei "richtig, aber es bleibt auf halbem Wege stehen", bedauert Rudolf Stummvoll, der Leiter des Münchner Wohnungsamts. Die Stadt versucht daher noch, ihre Wünsche unterzubringen. "Bisher sind wir damit nicht wahnsinnig erfolgreich", ärgert sich Schiwy, die beim Thema Zweckentfremdung ohne Mitstreiter auskommen muss. Denn in ganz Bayern hat lediglich München eine kommunale Satzung erlassen, um die Möglichkeiten des Gesetzes auch nutzen zu können. In den anderen Städten besteht das Problem bislang nicht oder zumindest nicht in einem vergleichbaren Ausmaß.

München hat bereits diverse Verbesserungsvorschläge gemacht, das Thema wird von Jahr zu Jahr dringlicher. Denn die Stadt will es angesichts des starken Zuzugs und angespannten Mietmarkts nicht hinnehmen, dass Besitzer aus Gründen des Profits ihre Wohnungen für andere Zwecke verwenden. Medizintourismus ist nur eine Variante der sogenannten Zweckentfremdung. Große Probleme hat die Stadt auch mit der nicht genehmigten Vermietung an Städtetouristen, die über Portale wie Airbnb oder Wimdu buchen. Und natürlich mit den "Klassikern" der Zweckentfremdung: der Umwidmung in Büros.

Bayerns Innen- und Bauminister Joachim Herrmann (CSU) plant, das Gesetz drastisch zu verschärfen: Statt der bislang üblichen 50 000 Euro soll die mögliche Strafe für Zweckentfremdungen bei bis zu 500 000 Euro liegen. Zudem sollen die Betreiber der Vermietungsportale künftig verpflichtet sein, Auskünfte an staatliche Stellen zu erteilen. Schiwy wünscht sich jedoch noch deutlich weitergehende Befugnisse. So solle schon das Anbieten eines Appartements, das keine Ferienwohnung ist, als Ordnungswidrigkeit gelten - dann könnten die Münchner Fahnder frühzeitig eingreifen. Zudem sollen die Betreiber von Airbnb, Wimdu oder ähnlichen Portalen verpflichtet werden können, illegal vermietete Wohnungen aus ihrem Sortiment zu nehmen - derzeit kommt es vor, dass selbst aufgeflogene Privat-Hoteliers noch eine Weile munter weitermachen. Dass künftig acht statt der bisherigen sechs Wochen pro Jahr als Höchstgrenze für zulässiges privates Vermieten gelten sollen, hält Schiwy für einen Rückschritt.

Lösen würde die Stadt gerne auch ein Problem, das nur indirekt mit der Zweckentfremdung zusammenhängt: das mit den Mietpreisen für möblierte Wohnungen. Viele Ex-Ferienwohnungen werden anschließend möbliert an Dauermieter vergeben - zu exorbitanten Preisen und bei eingeschränktem Mieterschutz. Das Sozialreferat würde diese Mieten gerne deckeln: bei maximal 15 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, die im Mietspiegel festgeschrieben ist.

Das Sozialreferat hat vergangenes Jahr insgesamt 24 000 Wohnungen kontrolliert, 244 davon als zweckentfremdet entlarvt und an den Wohnungsmarkt zurückgegeben. 88 davon waren als Ferienwohnungen genutzt. Schiwy schätzt, dass etwa 1000 Wohnungen zumindest den Anfangsverdacht der Zweckentfremdung erfüllen.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: