Kampf gegen Abgase:Viel Luft nach oben

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Die Initiatoren des Bürgerbegehrens sehen die Übernahme ihrer Ziele als großen Erfolg, die CSU dagegen glaubt, dass sich dadurch nichts ändern wird. Um die Schadstoffwerte einzuhalten, müsste die Stadt noch viel mehr tun, erklärt die Umweltreferentin

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

Mit der dicken Luft ist es anscheinend vorbei, jedenfalls was die unterschiedlichen Auffassungen der Umweltverbände und der Rathausmehrheit zum Thema gesundes Schnaufen in München betrifft. Die Forderungen des Bürgerbegehrens für saubere Luft sollen Teil der offiziellen Rathauspolitik werden. Die Fraktionen von SPD und CSU einigten sich am Montag darauf, den Text der unter anderem von Green City, Grünen, ÖDP und Bund Naturschutz unterstützten Kampagne "Sauba sog i" einfach in den städtischen Luftreinhalteplan zu übernehmen. Ob damit tatsächlich die dicke und vor allem auch schädliche Luft verschwindet, ist aber umstritten.

Einig sind sich alle Parteien darin, dass die Stadt schnellstmöglich Maßnahmen ergreifen muss, damit bis 2025 mindestens 80 Prozent des Verkehrs durch abgasfreie Fahrzeuge (Elektroautos), öffentliche Verkehrsmittel sowie Fußgänger und Radfahrer bestritten werden. Derzeit werden noch rund 40 Prozent aller Münchner Wege mit herkömmlichen Autos mit Verbrennungsmotor zurückgelegt. Die Reduzierung auf 20 Prozent ist die Kernforderung des Bürgerbegehrens, dessen Unterstützer am Mittwoch möglicherweise ihre Arbeit einstellen können. Der Sprecher des Bündnisses für saubere Luft, Andreas Schuster, reagierte am Montag vorsichtig auf die Ankündigung der Rathausmehrheit. "Da glauben wir nach so viel Zögern und Zaudern im Rathaus noch nicht daran. Unsere Forderungen gehen weit über das hinaus, was die Stadt bisher macht." Das Bündnis werde die Sitzung am Mittwoch genau verfolgen und kontrollieren, ob seine Inhalte tatsächlich übernommen würden. Sollte es so kommen, sieht Schuster das "als großen Erfolg" für das Bündnis aus knapp 20 Organisationen und Umweltverbänden. Die CSU-Fraktion hält den Erfolg jedoch für sehr überschaubar. "Die Forderungen des Bürgerbegehrens sind so windelweich, wir brauchen aktuell in der Stadtpolitik gar nichts ändern", sagt Fraktionschef Manuel Pretzl. Die Regierungsmehrheit werde gemeinsam den Antrag einbringen. Das sei nicht nur völlig unproblematisch, sondern spare der Stadt auch viel Geld. "Die drei Millionen Euro, die ein Bürgerentscheid kostet, müssen wir nicht ausgeben." Auch die SPD sieht darin kein Problem, die Genossen wollten das schon im Dezember erledigen. Allerdings scheiterte der damals etwas spontane Versuch am gereizten Klima im Rathaus.

Nun sagt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl, dass der sehr offenen Fragestellung des Bürgerbegehrens sowieso kein Mensch widersprechen würde. "Oder kennen Sie jemanden, der gegen saubere Luft in München ist?" Diese sehr allgemeine Frage sei allerdings gleichzeitig Stärke und Schwäche der Initiative. Fakt bleibe, dass die Stadt nicht die rechtlichen Instrumente habe, um wirkungsvoll gegen die Luftverschmutzung vorzugehen. Daran ändere auch das Bürgerbegehren nichts.

Die Grünen als Partner des Bündnisses hatten schon in der Dezembersitzung die Übernahme des Bürgerbegehrens in den Luftreinhalteplan der Stadt beantragt. Damals waren die Debatte und der Beschluss vertagt worden. Am Mittwoch stellt Umweltreferentin Stephanie Jacobs ihre Vorlage erneut zur Abstimmung. Sie geht allerdings in ihrer Vorlage nicht auf die Forderungen des Bürgerbegehrens "Sauba sog i" ein. Nicht wegen großer Widersprüche, sondern weil sie darin schlicht keine Verbesserung für ihr Konzept erkennen kann. "Die Ziele des Bürgerbegehrens sind nicht das, was ich mir vorstelle. Ich will die Luft schon vor 2025 sauber bekommen."

Im Übrigen verweist Jacobs darauf, dass die Hauptforderung des Bürgerbegehrens ihrer Ansicht nach eine Luftnummer sei. Die geforderte Reduzierung des Anteils von Fahrten mit Verbrennungsmotoren auf 20 Prozent des Gesamtverkehrs bis 2025 würde die Luft nicht wesentlich sauberer machen, da der Verkehr insgesamt wird weiter wachsen wird. "Ein veränderter Modal Split wird das Problem nicht lösen, da wir 2025 absolut viel mehr Fahrzeuge in der Stadt haben werden als heute."

Die Stoßrichtung des Bürgerbegehrens sei deshalb völlig falsch. "Wir müssen bei den Fahrzeugen ansetzen, die mit Verbrennungsmotoren fahren. Das wird nur über eine Weiterentwicklung der Umweltzone gehen, für die wir eine neue Plakette benötigen. Dafür muss aber der Bund die rechtlichen Voraussetzungen schaffen." Die Haltung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), dass Bundesländer und Kommunen längst Fahrverbote für Dieselfahrzeuge aussprechen könnten, sei nicht zielführend. "Der Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums zielt auf temporäre Fahrverbote. Die kritische Größe bei der Stickstoffdioxidbelastung ist aber der Jahresmittelwert. Das heißt, wir brauchen eine dauerhafte Lösung." Die Forderungen des Bürgerbegehrens gingen dafür aber nicht weit genug, sagt Umweltreferentin Jacobs. Sie müsse schneller handeln. Auch das Warten, bis die Hersteller Elektroautos serienreif zu Preisen anböten, dass sie eine relevante Hilfe wären, dauere zu lange. "Die Gerichte lassen uns nicht die Zeit, bis die E-Mobilität eine effektive Verbesserung bringen wird. Aber wir müssen trotzdem jetzt die Weichen für eine saubere Mobilität in der Zukunft stellen."

Grünen-Fraktionschef Florian Roth zeigt sich misstrauisch, ob SPD und CSU nun tatsächlich auf Linie der Umweltschützer einschwenken. Roth widerspricht dem Eindruck, der Text des Bürgerbegehrens verändere eigentlich nichts. Tatsächlich gehe, wenn man die 80-Prozent-Forderung ernst nimmt, selbst bei weiterem Verkehrswachstum die absolute Zahl von Autos mit Verbrennungsmotoren zurück. Der Grünen-Politiker ist überzeugt, dass dies letztlich nur zugunsten von MVV, Fahrrad und Fußverkehr gelingen kann. Die aktuellen Zulassungszahlen für Elektroautos ließen keinen nennenswerten Einfluss der "Stromer" auf den Verkehrsmix erwarten.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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