Kampagne:Mit dem Huhn auf Augenhöhe

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Die Haltung von Schweinen und Hühnern konnten Passanten am Samstag mit einer 3-D-Brille erleben. (Foto: Robert Haas)

Tierschützer geben mit 3-D-Brillen Einblicke in den Alltag der Fleischindustrie

Man sieht Christoph Maria Herbst - und Hühner. Viele Hühner. Kranke Hühner. Tote Hühner. Herbst sagt, die Tiere "leiden von der Geburt bis zum Tod"; sie würden in den sechs Wochen, in denen sie lebten, überfüttert; sie seien eingepfercht; sie röchen nichts anderes als ihre Exkremente; sie seien verletzt und bekämen keine Hilfe. Nach 42 Tagen sind sie schlachtreif. "Dann werden sie kopfüber durch ein Wasserbad gezogen, durch das Strom fließt", sagt der Schauspieler, "wenn sie dann nicht betäubt sind, schneidet man ihnen bei lebendigem Leibe die Kehle durch..."

Man ist bedient, nimmt die Brille und die Kopfhörer wieder ab und schaut in das besorgte Gesicht von Christiane Großklaus. "Alles in Ordnung?", fragt die Frau, die beim Albert-Schweitzer-Institut arbeitet. Das Straßenkampagnen-Team des Instituts stand am vergangenen Samstag auf dem Marienplatz und verteilte 3-D-Brillen an Passanten. Man konnte zwischen Huhn und Schwein wählen, setzte die Brille auf, sah - wenn man Huhn nahm - den Schauspieler Herbst und war mittendrin in der Massentierhaltung. Dank des 360-Grad-Blickes hat der "Besucher" das Gefühl, er säße im Stall, unter Hühnern, die schnell dick werden sollen, um schnell geschlachtet werden zu können. "Ich kann ja noch verstehen, wenn man Mais oder Hopfen züchtet, damit sie schnell verwertet werden können - aber doch nicht Lebewesen", sagt Nicolas Thun vom Kampagnen-Team. "Die Tiere werden in kurzer Zeit oft so schwer, dass ihre Beine brechen, weil diese nicht so schnell mitwachsen."

Thuns Team, das Filme der Tierrechts-Organisation Animal Equality zeigt, ist an 150 Tagen im Jahr auf den Straßen, um gegen Massentierhaltung zu demonstrieren. "Wir erwarten natürlich nicht, dass einer unsere Filme sieht und dann sofort Veganer oder Vegetarier wird", sagt Thun, "aber wenn jemand danach offen ist, mal was anderes zu probieren, freuen wir uns über diesen kleinen Schritt."

© SZ vom 02.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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