Juristische Auseinandersetzung:Revision im Fall des Waffenhändlers

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Philipp K., im Bild mit seinen Verteidigern Sascha Marks und David Mühlberger, lieferte dem OEZ-Attentäter die Waffe. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Anwälte der Opferfamilien des OEZ-Attentats und Verteidiger legen Einspruch gegen Urteil wegen fahrlässiger Tötung ein

Von Martin Bernstein

Der Fall des 33 Jahre alten Waffenhändlers Philipp K. geht in die nächste juristische Runde. Nach Angaben von Gerichtssprecher Florian Gliwitzky haben bis zum Fristende am Freitag, 24 Uhr, die beiden Verteidiger des Marburgers sowie sieben Nebenklageanwälte, also Vertreter der Opferfamilien, Revision eingelegt. Eine Pistole vom Typ Glock 17 und fast 500 Schuss Munition hatte der rechtsradikale Deutsch-Iraner David S. bei dem Marburger gekauft und damit am Abend des 22. Juli 2016 am Olympia-Einkaufszentrum in München neun Menschen ermordet und fünf schwer verletzt. Die zwölfte Strafkammer des Landgerichts verurteilte den Lieferanten deshalb wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und diverser Verstöße gegen das Waffengesetz zu sieben Jahren Gefängnis. Der Vorsitzende Richter Frank Zimmer ging in seiner Urteilsbegründung auf die Motive des Attentäters ein, dessen psychische Erkrankung, das Mobbing, dem der 18 Jahre alte S. als Schüler ausgesetzt gewesen sei - aber auch ausführlich auf die rechtsradikale Gesinnung des Täters. Der OEZ-Anschlag sei in einer Reihe mit dem Oktoberfestattentat und dem Brandanschlag von Mölln zu sehen, betonte Zimmer in einer sehr emotionalen Schlussbemerkung.

Das Urteil wegen fahrlässiger Tötung, das juristisches Neuland betritt, folgte weitgehend der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Die Plädoyers hatten aber bereits zu erkennen gegeben, dass sich damit weder die Anwälte des Waffenhändlers noch die Opferfamilien abfinden würden. Die Verteidiger wollen, dass ihr Mandant nur wegen der Verstöße gegen das Waffengesetz verurteilt wird. Die meisten Nebenkläger fordern eine Verurteilung des Marburgers wegen Beihilfe zum Mord, nicht zuletzt, weil der Prozess gezeigt habe, dass Waffenlieferant und Kunde denselben Hass auf Migranten teilten.

"Die Familie Kollmann ist vom Ausgang des Verfahrens enttäuscht und möchte mit der Revision eine Neubewertung der Tat erreichen", sagt Opferanwalt Onur Özata, der die Angehörigen eines ermordeten 19-Jährigen vertritt. Der Angeklagte sei nur ein "kleiner Fisch", glauben mehrere Opferfamilien. Ihnen geht es um die Suche nach möglichen Hintermännern. "Wenn diese Leute nicht gefunden werden, leben wir in der Zukunft nicht mehr sicher." Laut Opferanwältin Claudia Neher ist es den Familien, die sie und Rechtsanwalt Yavuz Narin vertreten, wichtig, dass der Anschlag offiziell als politisch motiviertes Hassverbrechen eingeordnet wird, um ähnliche Attentate gegen Migranten verhindern zu können. "Heute bin ich betroffen", sagt Hasan Leyla, der seinen 14-jährigen Sohn Can verlor, "aber da sind noch Millionen von Kindern draußen". Scharf kritisieren Hasan und Sibel Leyla sowie Yasemin und Engin Kilic, Eltern des ermordeten Selcuk, den gesamten Prozessverlauf. "Wir hatten das Gefühl, dass wir angeklagt sind", sagen sie.

Wenn das schriftliche Urteil und die Revisionsbegründungen vorliegen, ist - wohl noch in diesem Jahr - der Bundesgerichtshof am Zug, möglicherweise in einer mündlichen Hauptverhandlung. Falls die Karlsruher Richter Rechtsfehler erkennen, müsste eine andere Kammer in München den Fall neu verhandeln. Philipp K. bleibt derweil in Untersuchungshaft.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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