Jubiläum:Das Wissen über die Welt

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Mit der "Gletscherfeuerwehr" informiert die Geographische Gesellschaft über die Folgen des Klimawandels. (Foto: Geographische Gesellschaft)

Vor 150 Jahren wurde die Geographische Gesellschaft München gegründet - doch der Vorsitzende Ottfried Baume sorgt sich um die Zukunft

Von Günther Knoll

Robert Falcon Scott und Roald Amundsen, diese Namen sind bekannt, wenn es um Polarforschung geht. Die Pionierleistung von Erich Dagobert von Drygalski dagegen, unter dessen Leitung im Februar 1902 das Forschungsschiff Gauß erstmals in die Antarktis vordrang, ist fast in Vergessenheit geraten, seit sich Amundsen und Scott zehn Jahre später den spektakulären Wettlauf zum Südpol lieferten. Drygalski kommentierte das mit den Worten: "Für die Polarforschung ist es unerheblich, wer als Erster am Pol steht."

Möglicherweise hat diese Haltung ein wenig auf die Geographische Gesellschaft München (GGM) abgefärbt, denn deren Vorsitzender war der Polarforscher mehr als 30 Jahre lang, nachdem er 1906 einen Ruf als Professor für Geografie in die bayerische Landeshauptstadt erhalten hatte. Heuer wird die Gesellschaft 150 Jahre alt, und das ist für sie natürlich ein Grund, zu feiern und sich zu präsentieren. Das Motto des Jubiläums, das an diesem Donnerstag, 14. März, im Festsaal der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mit geladenen Gästen aus aller Welt begangen wird, lautet entsprechend: "Damit Sie wissen, was wir drauf haben!"

Die Gesellschaft wurde 1869 unter dem Protektorat des regierenden Königshauses in München gegründet. Sie ist die älteste der drei Geographischen Gesellschaften in Bayern und war damals die fünfte Geographische Gesellschaft in Mitteleuropa überhaupt. Einen Lehrstuhl für Geografie gibt es in München dagegen erst seit 100 Jahren. Zu ihren prominenten Mitgliedern zählt die GGM auch den Geografen, Forschungsreisenden und Alpinisten Gottfried Merzbacher, der einen erheblichen Anteil an der Erschließung der Alpen, des Kaukasus und asiatischer Gebirge wie dem Tian Shan hatte.

Vor mehr als 100 Jahren gab es eben noch viele weiße Flecken auf dieser Welt, entsprechend wertgeschätzt und bewundert wurde die Arbeit der Geografen. Das ist heute anders, wie Professor Otfried Baume weiß, der aktuelle Vorsitzende der Münchner Gesellschaft. Er leitete bis zu seiner Emeritierung das Institut für Geografie an der Ludwig-Maximilians-Universität, das jetzt Department heißt. Seine Kollegen in Moskau, wo Baume studiert hat, beneidet er fast ein wenig, denn in diesem Land gebe es noch viele unentdeckte Ressourcen, entsprechend wichtig sei die wissenschaftliche Tätigkeit der Geografen.

Die russische Gesellschaft, mit der die Münchner regen Kontakt pflegen, sei finanziell gut genug ausgestattet, um auch Forschungsexpeditionen unterstützen zu können. Da nimmt sich das Projekt "Gletscherfeuerwehr", welches die GGM initiiert hat, fast schon bescheiden aus. Ein ausgedientes Feuerwehrfahrzeug wurde von Mitgliedern zum Infomobil umfunktioniert, um so auf den Rückzug der Gletscher hinzuweisen, der den Klimawandel so augenscheinlich dokumentiert.

Heute geht es, wie Baume es formuliert, in erster Linie um "die Verbreitung geografischen Wissens" und nicht mehr um die "Erlangung". Und dafür tut die Gesellschaft einiges: Vorträge, Podiumsdiskussionen, große und kleine Exkursionen nicht nur für die Mitglieder. Schließlich hat sie sich "die Förderung der Geographie im Allgemeinen und der bayerischen Landeskunde im Speziellen" zum Ziel gesetzt. Dazu gehören auch die Zusammenarbeit mit Schulen und die Weiterbildung von Lehrern. Dieses Angebot werde gut angenommen, sagt Baume, vor allem wenn es um aktuelle Themen gehe wie zum Beispiel Vorträge über den Klimawandel.

Trotzdem blickt der Vorsitzende mit einiger Sorge in die Zukunft, nicht nur in die der Gesellschaft, sondern in die seines Fachs Geografie insgesamt. Da ist einmal der Mitgliederschwund bei der GGM. Als Baume den Vorsitz antrat, waren es 600, aktuell sind es 450. Der Professor hat einen Grund dafür ausgemacht: Nur noch ein Siebtel der Studierenden tritt in die Gesellschaft ein, früher was es fast jeder vierte. Das liege an der Einführung des Bachelor-Studiums, bei dem es vorwiegend um Punkte gehe, glaubt Baume.

Außerdem gelte es, das Angebot der Gesellschaft zu überdenken: neue Themen, neue Formate, ein neuer Auftritt in den Internetmedien, dafür brauche es neuen Schwung und neue Ideen, sagt Baume. Deshalb sucht er einen Nachfolger, am besten im Department, denn der Kontakt zur Universität sei wichtig. Aber das sei schwierig: Die jüngeren Kollegen hätten oft nur befristete Verträge und deshalb weder den Nerv noch die Zeit, sich ein solches Ehrenamt aufzubürden.

Tatsächlich sieht Baume auch das Fach Geografie selbst gefährdet. Es gebe inzwischen zu viele Berührungspunkte mit anderen Disziplinen, "dadurch droht die Gesamtschau über Spezialgebiete verloren zu gehen". Damit nämlich könne die Geografie "die großen Probleme deutlich machen". Ein Beispiel dafür ist einer der beiden Festvorträge bei der Feier: Professor Wilfried Haeberli von der Universität Zürich behandelt darin das Thema "Über die Zukunft der Alpen".

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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