Journalismus im Wandel:Wenn der Telekopierer ächzt

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Ralf Husemann, 72, war von 1978 bis 1991 Redaktionsleiter der Fürstenfeldbrucker Neuesten Nachrichten. Von 1991 bis 1996 war er SZ-Korrespondent in Dresden, danach im Ressort Innenpolitik. 2010 ging er in Ruhestand. (Foto: Robert Haas)

In Zeiten des schnellen Internets werden frühere Mühen des Alltags leicht vergessen. Der ehemalige Redaktionsleiter der SZ in Fürstenfeldbruck, Ralf Husemann, erinnert sich an eine Zeit, in der Fotos per Botin nach München kamen.

Von Ralf Husemann

Zuerst das Wetter: Anfang 1982 herrschte ein so strenger und schneereicher Winter, dass die Straßen praktisch unpassierbar waren. Nicht einmal zu Fuß konnte man sich fortbewegen. Unser in mancher Beziehung ungewöhnlicher, aber - oder auch deshalb - im Landkreis sehr beliebter und sehr bekannter Fotograf Rudi Jahn nutzte die Gelegenheit, um seine Unverwüstlichkeit, er war damals schon in den Siebzigern, zu demonstrieren - was ihm prompt auch gelang: Er kam auf Skiern zur Redaktion in der Brucker Schöngeisinger Straße. Apropos Rudi Jahn (er starb 2001 mit 91 Jahren): Er sollte einmal Aufnahmen von einer anthroposophischen Eurythmiegruppe in Grafrath machen. Die munteren Damen forderten unseren Rudi auf, doch mitzumachen. Und was hast Du gemacht, hab ich ihn gefragt. "Na mitg'macht eben", war seine lakonische Antwort.

Damals war eben manches anders, sehr anders sogar. In der computer- und handylosen Zeit schrieben wir Redakteure unsere Beobachtungen erst einmal in Windeseile in kleine Blöcke, aus denen wir dann auf der Schreibmaschine - heute ein schon fast vergessener Begriff - einen Bericht, eine Reportage oder einen Kommentar komponierten.

Damit war aber längst noch nicht alles getan. Mangels elektronischer Übertragungsmöglichkeiten wurden die Beiträge wie auch die Layouts ganzer Seiten mit dem "Telekopierer" zur Zentralredaktion nach München gesandt. Das dauerte, zumal die großen Layout-Seiten erst zerschnippelt werden mussten, damit sie in den Kopierer passten. Außerdem musste eine "Botin", die unermüdliche Anna Liszy, täglich mit den Fotos und den Druckvorlagen für die Anzeigen nach München fahren. Aus München bekamen wir wiederum ständig Büromaterial, vor allem unglaubliche Mengen an Manuskriptpapier, die wir benötigten, weil größere Redigierarbeiten (wie Copy and Paste) damals ja nicht möglich waren.

Wir waren damals eine überschaubare Truppe: exakt drei Redakteure, neben mir Sven Brach und Emmerich Eberl, ein paar freie Mitarbeiter, zwei Sekretärinnen, Fotografen und jede Menge Zuträger von Bemerkenswertem. Es gab natürlich jede Menge großer und kleinerer Skandale, die es mit sich brachten, dass namhafte und alteingessene Kreispolitiker und Vereinschefs ganz plötzlich ihre Posten verloren und Platz für Nobodys machen mussten - das kommt einem in der stürmischen Jetztzeit doch wieder sehr bekannt vor.

Die Fürstenfeldbrucker Neuesten Nachrichten waren dabei selten ganz unschuldig. Nicht nur der Landrat Gottfried Grimm, der Brucker OB Max Steer und der kumpelige Puchheimer Rathauschef Erich Pürkner (alle CSU) verloren in dem traditionell eher konservativen Kreis ihre Posten an Sozialdemokraten; auch die SPD, ohnehin an Niederlagen gewöhnt, musste Haare lassen. Der Weltenumsegler Florian "Bobby" Schenk wollte als auffallend machtbewusster Chef des Brucker Ortsvereins die Partei aufmischen, war aber eher dabei, sie zu zerlegen. Die F ürstenfeldbrucker SZ schrieb darüber ausführlich, worauf dieser im Konkurrenzblatt schrieb, er sei am "Riff" des Brucker Redaktionsleiters gescheitert. Na ja.

Es gab natürlich wie überall diverse Umweltschweinereien. Den Vogel schoss dabei ein Aluminiumwerk in Emmering ab - mit Firmensymbol auf dem örtlichen Maibaum. Monatelang flossen aus dem auf einer Anhöhe gelegenen Werk Tausende Liter Hydrauliköl in unterhalb gelegene Grundstücke. Die SZ berichtete laufend über den neuen Rekordstand an abgepumptem Öl, bis endlich das Landratsamt reagierte.

Jedenfalls wurde es nie langweilig. Und die Leser goutierten offensichtlich die Berichterstattung. In den ersten zehn Jahren stieg die Brucker Auflage um mehr als 40 Prozent. Der darob glückliche Vertrieb bastelte für die Redaktion einen hölzernen Setzkasten mit den schönen Zuwachsraten und Chefkorrespondent Hans-Ulrich Kempski, der immer auch die Region im Auge hatte, gratulierte in seiner knappen preußischen Art: "Respekt". Mehr ging ja kaum.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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