"Jahreszeitenküche":Improvisationen und andere Opportunities

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Der irische Koch Shane McMahon wollte nur für ein Jahr nach Deutschland - jetzt lebt er hier schon länger als ein Vierteljahrhundert, führt ein Lokal und hat gerade ein Kochbuch veröffentlicht

Von Franz Kotteder, München

Schon wahr, dass er in Limerick geboren ist, oder? Ja, klar, ist er. Und? Das gibt doch viele blöde Fragen? Ja, gibt es. Er könne aber keinen Limerick auswendig, sagt Shane McMahon. Und nur wegen all der blöden Fragen einen auswendig zu lernen, das wäre ja noch schöner. Da bleibt er stur. Schließlich ist er ja Ire.

1991 kam er nach Deutschland, damals wurden hier gerade wieder Ausländer gebraucht in der Gastronomie. "Ich hatte nur einen Koffer und hundert Mark dabei", erzählt McMahon, "das ist wirklich wahr." Deshalb habe er bis heute ein Herz für Menschen, die mit wenig Gepäck und fast mittellos hier ankommen: "Wir haben auch zwei Flüchtlinge bei uns als Spüler beschäftigt." Wer sich engagiere, der könne hier immer noch etwas werden, findet er. Und da will er zumindest bei den ersten Schritten helfen: "Das hier ist schon ein Land der opportunities, der Möglichkeiten."

Niemand weiß das besser als Shane McMahon selbst. Der 46-Jährige ist heute einer der bekanntesten Spitzenköche der Stadt, auch wenn er keinen Stern hat, aber dafür ein eigenes Restaurant in ziemlicher Zentrumsnähe an der Geyerstraße, im Erdgeschoss des Hotels Prinzessin Elisabeth, das zur Kette der Derag Livinghotels gehört. Und mittlerweile hat er sein zweites Kochbuch geschrieben, das am Montag erschienen ist. "Jahreszeitenküche" heißt es und enthält 60 Rezepte, "in denen ich auch einige meiner Küchengeheimnisse verrate", wie er sagt.

Das ist alles nicht selbstverständlich, wenn man 25 Jahre vorher praktisch ohne Geld und ohne Deutsch zu sprechen hier ankommt. Eine gewisse Neigung zur Gastronomie war freilich immer schon vorhanden bei ihm. Die Eltern hatten ein schönes Fischrestaurant in County Clare an der irischen Westküste, 40 Kilometer von Limerick entfernt. Der irische Vater war Koch, die österreichische Mutter aus Lienz in Osttirol auch in der Gastronomie zu Hause. Shane war der jüngste Sohn, "deshalb habe ich auch kein Deutsch mehr gelernt von meiner Mutter, die sprach da schon perfekt Englisch". Schon mit zwölf half er in der Küche aus und machte auch seine Ausbildung in der elterlichen Gaststätte.

"Jahreszeitenküche" heißt das neue Kochbuch von Shane McMahon. Es enthält 60 Rezepte, auch verrät der Ire einige seiner Küchengeheimnisse. (Foto: Stephan Rumpf)

Dann wollte er etwas von der Welt sehen und begann damit ausgerechnet in Garmisch-Partenkirchen. Die Berge, wandern und skifahren - das war schon was für ihn, er kannte ja bis dahin nur die wildromantische Landschaft Irlands. Ein halbes Jahr lang kochte und lebte er gar im Schneefernerhaus auf der Zugspitze: "Das war reine Gulaschkanone", sagt er. Über einen Spezl ging es dann weiter vom höchsten Punkt Deutschlands zu einem der niedrigsten und nördlichsten: nach Sylt. Im berühmten Fischbistro Gosch grillte er eine Saison lang Scampi: "pro Monat eine Tonne." Der alte Gosch war begeistert von dessen Fertigkeiten, und am Ende sagte er auf Plattdeutsch zu ihm: "Min Jong, darauf trinken wir Edelfischsuppe ohne Gräten!" Das war Fanta mit Korn, im Plastikbecher serviert.

Mittlerweile hatte die periodisch auftretende Rezession in Irland auch das Fischrestaurant der Eltern erfasst, die waren dann nach guter, alter irischer Tradition in die USA ausgewandert, nach Chicago. Dort hielt es sie nur ein halbes Jahr, und sie kamen nach München. Der Vater fand einen Job als Koch bei Feinkost Käfer in dessen Hauptsitz in Parsdorf bei Vaterstetten. Und der vermittelte den Sohn dann wiederum zum Seehaus am Englischen Garten und schließlich in das Restaurant Königshof am Stachus.

Dort trat damals gerade Bobby Bräuer seinen Job als Küchenchef an. Der leitet heute die Gastronomie in der BMW-Welt und hat mit seinem Gourmetrestaurant Esszimmer zwei Sterne im Michelin erkocht.

Die Arbeit unter Bräuer war für Shane McMahon ein Schlüsselerlebnis. "Bis dahin wusste ich gar nicht genau, was der Beruf Koch eigentlich ist", sagt er, "erst bei Bobby Bräuer lernte ich zu schätzen, was Disziplin in der Küche bedeutet, wofür die ganze Hierarchie gut ist und was man mit den besten Produkten alles machen kann." Drei Jahre lang lernte er hier die Sterneküche von der Pike auf, danach ging er zu Hans Haas ins Tantris.

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(Foto: DIV)

Shane McMahon: Jahreszeitenküche - Mit 60 saisonalen Rezepten durchs Jahr. Süwdest Verlag, München, 2017, 192 Seiten, ca. 110 Farbfotos. Gebunden 29,99 Euro; E-Book 19,99 Euro.

Haas ist bis heute sein großes Idol geblieben, sagt er. "Der ist sehr bodenständig geblieben und trotzdem ein ungemein raffinierter Koch." Wenn McMahon erzählt, dass ihn an jungen Köchen oft störe, "wenn die mit irgendeinem Gel oder irgendeinem Chip ankommen", das in Wirklichkeit ein umgewandeltes Lebensmittel ist, dann könnte das auch von Haas stammen. "So einen Firlefanz brauche ich doch nicht", sagt McMahon, "mir geht es darum, den Geschmack des jeweiligen Produkts hervorzuheben." Auch das wieder ein Satz, der zu Hans Haas passen könnte.

Eine perfekte Zutat im Mittelpunkt, darum herum Saucen und Zutaten, die dessen Geschmack hervorheben und umspielen, aber nicht erschlagen - das ist sein kochkünstlerisches Konzept, das er in den fast sieben Jahren bei Bräuer und Haas für sich entdeckt und ausgebaut hat. Gibt es auch eine besondere irische Note in seiner Küche? Da muss er kurz überlegen, findet dann aber gleich ein paar Beispiele. Fisch aus dem Meer sei ihm schon wichtig, "Süßwasser allein reicht mir da nicht". Und das Fleisch der irischen Rinder, "weil die fast das ganze Jahr draußen auf der Weide stehen, auf den Salzwiesen, das schmeckt man einfach". Und dann lobt er noch die irische Butter, klar, schließlich ist er auch Markenbotschafter für Kerrygold.

Das Geschäftliche hat er auch erst lernen müssen. Oder besser gesagt: Darum kümmert sich vor allem seine Frau. Ohne sie, sagt er, hätte er sich wahrscheinlich gar nicht selbständig gemacht, sie hat ihm sehr dabei geholfen. Die gelernte Journalistin und Eventmanagerin brachte ihn drauf, mit Shane's Kitchen ein eigenes kleines Kochstudio zu eröffnen, in dem er Gästegruppen individuell bewirtete und Kochkurse gab. Dort wurde dann Max Schlereth, der Chef der Derag-Livinghotel-Gruppe, auf ihn aufmerksam. Und als der Starkoch Holger Stromberg 2009 sein Restaurant im Hotel Prinzessin Elisabeth an der Geyerstraße aufgab, fragte Schlereth einfach McMahon, ob der nicht Lust habe, das Restaurant zu übernehmen.

Seither gibt es also Shane's Restaurant dort. Shane kümmert sich zusammen mit vier Köchen und zwei Spülern um die Küche, seine Frau Barbara leitet das Restaurant und den Service, kümmert sich um die Buchhaltung und überhaupt alles Geschäftliche. Das ist viel Arbeit, aber wenigstens muss sie keine Speisekarte schreiben. Denn Shane McMahon ist berühmt dafür, dass es bei ihm nur "Überraschungsmenüs" gibt. Das heißt: Oft entscheidet er recht spontan morgens in der Großmarkthalle, was abends serviert wird. Klar hat er seine festen Lieferanten, "aber ich kann ja auch nicht immer nur Ente oder Lamm machen". Und weil er natürlich auch Veganer und Allergiker unter seinen Gästen hat, ist er manchmal ganz schön gefordert, was das Improvisieren angeht. Aber da kann er seine Spontaneität so richtig ausleben. Dass er im Grunde auch ein recht beständiger Mensch sein kann, wundert ihn selbst: "Eigentlich wollte ich ja nur für ein Jahr nach Deutschland kommen", sagt er, "und jetzt sind es doch glatt schon mehr als 25 Jahre geworden."

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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