125 Jahre Münchner Philharmoniker:Klangvoll

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Gegründet von einem Klavierfabrikanten, sind die Münchner Philharmoniker heute ein Orchester von internationalem Rang, das in den größten Hallen der Welt spielt. Sergiu Celibidache hob das Ensemble auf ein neues Niveau, auch wenn es schon früh Aufsehen erregte - etwa durch Uraufführungen von Gustav Mahler

Von Klaus Kalchschmid

Die Münchner Philharmoniker hatten 40 Jahre keinen eigenen Konzertsaal. Denn 1944 war die "Tonhalle" wie wenig später auch der legendäre Konzertsaal namens "Odeon", dessen verbliebene Säulen-Reste heute das Atrium des Innenministeriums am Odeonsplatz bilden, und das Nationaltheater abgebrannt. Bereits zwei Jahre nach ihrer Gründung als "Münchner Philharmonisches Orchester" durch den musikbegeisterten Literaturhistoriker Franz Kaim war dieser Konzertsaal 1895 nach nur einem halben Jahr Bauzeit mit dem Geld aus dem Erlös vom Verkauf von Klavieren erbaut worden. Denn Vater Kaim hatte 1891 in München eine Dependance seiner "Hof-Piano-Fabrik F. Kaim und Sohn" gegründet und den Sohn mit der Verwaltung betraut. Der durfte dann auch das "Kaim-Orchester" finanzieren und sogar einen zunächst "Kaim-Saal" und erst 1905 "Tonhalle" genannten Konzertsaal. Es waren Ausgaben, die die Firma bis an Rand des Ruins brachten.

Diskussionen über die Spielstätte gab es also schon lange vor der Debatte über einen Umbau des Gasteigs, eigentlich schon von Beginn an: 125 Jahre besteht das Orchester nun, die Münchner Philharmoniker feiern ihr Jubiläum mit einem großen Festwochenende und Gustav Mahlers "Symphonie der Tausend" am Samstagabend. In der Jubiläumsspielzeit gibt es eine Südkorea/Japan-Tournee und zahlreiche Auftritte in den verschiedensten Städten des Kontinents von Wien, Frankfurt, Köln und Hamburg bis Paris, Barcelona und Madrid. Die Münchner Philharmoniker, das zeigen die Auftritte in den großen Hallen dieser Welt, sind ein international viel beachtetes Orchester, was für zwei andere Münchner Ensembles übrigens ebenso gilt: für das BR-Symphonieorchester und das Bayerische Staatsorchester, das zu den drei besten Opernorchestern der Welt zählt.

Weil zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach dem Bau der Tonhalle auch Zuzahlungen von Sponsoren nicht ausreichten, um Defizite auszugleichen, musste das Orchester 1908 aufgelöst werden und wurde wenig später als "Konzertvereins-Orchester" neu gegründet. Trotzdem standen wechselvolle Jahre bevor, die auch durch die Wirren des ersten Weltkriegs das Orchester in seiner Existenz immer wieder bedrohten. Erst 1924 übernahm die Stadt die Gehälter der Orchester-Mitglieder und ab 1928 konnte sich für das zwischenzeitlich auch als "Neues Konzertorchester" auftretende Kollektiv der Name "Münchner Philharmoniker" durchsetzen.

Der Gasteig ist die Heimat der Münchner Philharmoniker. (Foto: Felix Hörhager/DPA)

Mehr als vierzig Jahre sind nun wieder vergangen, in denen das Orchester mit seiner 1985 eröffneten, exakt 2387 Plätze fassenden Philharmonie am Gasteig nie ganz zufrieden sein konnte. Hören sich doch die Musiker auf dem Podium schlecht, was Plexiglas-Segel nur wenig ändern können, während die trennscharfe Akustik, die Streichern, Holz- und Blechbläsern sehr klar als Schichten durchhörbar macht, für großbesetzte romantische und zeitgenössische Musik geeignet ist - aber weder für Solisten noch kleinere Besetzungen taugt. Doch da wird ja bald ein optischer und akustischer Umbau für Abhilfe sorgen.

Musikalisch wurde bereits 1897 durch Ferdinand Löwe, der insgesamt acht Jahre, zuletzt 1908 bis 1914, Chefdirigent war, die bis heute anhaltende Bruckner-Tradition begründet. Sie schlug sich in zahlreichen Erstaufführungen der Urfassungen seiner Symphonien sowie vielen, seinerzeit weltweit einzigartigen zyklischen Aufführungen nieder und erlebte unter Sergiu Celibidache von 1979 bis zu seinem Tod 1996 einen einsamen Höhepunkt. Und auch wenn die Kritik über seine langsamen Tempi lamentierte, in vielen Fällen - vor allem wenn er große Bruckner-Symphonien dirigierte, entstand durch seine unerbittliche, viel Probenzeit erfordernde Arbeit an Struktur und klingender Erscheinung des musikalischen Geschehens ein kleines Wunder sinnlich erfahrbaren Klangs; manch ein Hörer von damals würde auch von einem magisch-mystischen Erlebnis sprechen, denn Celibidaches Hingabe an Zen war nicht nur Grundlage seiner "Phänomenologie, sondern wirkte sich konkret aus. Und jeder durfte Probenprozesse verfolgen. So etwas hat kein Dirigent vor und nach ihm in dieser Selbstverständlichkeit zugelassen.

An diese Detail-Arbeit konnten und können ein Christian Thielemann, Chefdirigent von 2004 bis 2011, oder Valery Gergiev anknüpfen. Er bekleidet seit 2015 diese Position und nimmt gerade verteilt über mehrere Jahre einen Bruckner-Zyklus auf. Vielleicht wurden die Münchner Philharmoniker trotz der Arbeit so großartiger Chefdirigenten wie Fritz Rieger (1949-1966) und Rudolf Kempe (1967-1976) erst durch den liebevoll "Celi" genannten Rumänen das Orchester mit internationalem Rang und eigener Prägung, als das sie sich heute zu Recht verstehen. Nur die 18 Jahre dauernde Ära Sigmund von Hauseggers (1920-1938) war von ähnlicher Dauer. Schon 1912 und 1968 gingen die Philharmoniker auf Europa-Tournee, 1972 folgte das erste Japan-Gastspiel, aber erst ab 1981 wurde die Gastspiel-Tätigkeit unter Celibidache erheblich ausgeweitet und machte das Orchester in der ganzen Welt hochgeschätzt. Was die internationale Präsenz anbelangt, so bespielen die Philharmoniker auch heute genau wie das BR-Symphonieorchester die großen Hallen der Welt, ob in Tokio, New York oder jüngst die Elbphilharmonie.

Sergiu Celibidache - hier bei einem Auftritt in der Olympiahalle in den Achtzigerjahren. (Foto: Karl-Heinz Egginger/SZ-Photo)

Noch einmal zurück zu den Gründerjahren: Denn zugleich mit der Begründung der Bruckner-Tradition dirigierte 1897 kein Geringerer als Gustav Mahler zum ersten Mal das Orchester, sollte später die Münchner Erstaufführungen seiner zweiten, sechsten und siebten Symphonie sowie die Uraufführungen der vierten und achten leiten. Diese "Symphonie der Tausend" mit allein 850 Sängern war die spektakulärste Uraufführung in der Geschichte der Münchner Philharmoniker und steht nun nicht zufällig auf dem Programm des Jubiläumskonzerts am Samstagabend. In Erinnerung an die posthume Uraufführung des "Lieds von der Erde" 2011 ließ James Levine, Chefdirigent von 1999 bis ins Jahr 2003, wie seinerzeit Mahlers "Auferstehungssymphonie" folgen - ein dreistündiges Konzert!

Gern gesehene Gastdirigenten waren Hans Knappertsbusch, aber auch Komponisten wie Wilhelm Furtwängler, der bei seinem Debüt mit den Philharmonikern und Bruckners Neunter sowie einer eigenen symphonischen Dichtung im Jahr 1906 gerade mal 20 Jahre alt war, Richard Strauss und Hans Pfitzner; sogar Pietro Mascagni, dessen "Cavalleria Rusticana" weltberühmt wurde, oder Edvard Grieg dirigierten 1907 Abende mit eigenen Werken.

Obwohl sich in ersten Jahren das Hof-Opernorchester mit seinen musikalischen Akademien als Konkurrent des "Münchner Philharmonischen Orchesters" verstand und oftmals Termine im "Odeon" blockierte, kam es sehr viel später zu einem fruchtbaren Nebeneinander. Im Sommer 1962 debütierten die Philharmoniker während der Münchner Opern-Festspiele im Graben des Cuvilliès-Theaters mit den Mozart-Opern "Don Giovanni", "Figaro" und "Entführung".

Während der Eröffnungsfestwochen des Nationaltheaters im Jahr 1963 spielten die Philharmoniker unter Karl Böhm "Aida", "Simon Boccanegra" folgte im Apothekenhof als Freiluft-Spektakel, dem 1967 Wagners Frühwerk "Rienzi" folgen sollte. Vielen Opernliebhabern ist ein bis 1982 gespieltes Festspiel-Juwel, bei dem stets die Münchner Philharmoniker im Graben des Cuvilliès-Theaters saßen, noch in bester Erinnerung: "La Clemenza di Tito". Die Philharmoniker hatten schon 1956 zum 200. Geburtstag Mozarts seine letzte Oper konzertant aufgeführt; 1971 kam die Insze-nierung von Jean-Pierre Ponnelle einer szenischen Ehrenrettung dieses Werks gleich.

Nach Eröffnung der Philharmonie 1985 wurden die Philharmoniker nicht mehr von der Bayerischen Staatsoper als Orchester eingesetzt, aber ein konzertanter "Parsifal" unter James Levine war 2004 in der Philharmonie etwas ganz Besonderes. Wagners letztes Werk hatten die Philharmoniker schon 1913 im Programm. Auch Valery Gergiev ließ die Musiktheater-Tradition der Philharmoniker in der letzten Spielzeit wieder aufleben, ebenfalls mit Wagner - dem "Fliegenden Holländer".

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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