Isargold:Nähen statt schreiben

Lesezeit: 4 min

Bewusst herumtollen: Das Kindermode-Label "Isargold" von Andrea Baumgartner arbeitet bei der Produktion mit Behindertenwerkstätten zusammen. (Foto: Stephan Rumpf)

Andrea Baumgartner musste erst ihr Germanistikstudium schmeißen, um ihre wahres Metier zu finden. Heute entwirft sie Kindermode - zeitlos, spieltauglich und fast immer bio

Von Jacqueline Lang, München

Andrea Baumgartner trägt eine schwarze Leggings und eine graue, lange Strickjacke, die sie immer wieder um ihren zierlichen Körper wickelt. Lässig ja, auffällig nein. Ähnlich sieht auch die Kleidung aus, die sie für Kinder designt. Zarte Pastelltöne, klare Schnitte. Ab und zu mal eine aufgenähte Wolke oder ein siebgedruckter Stern. Mehr Schnickschnack braucht es nicht. Vor allem auf Basics hat sich das Modelabel Isargold spezialisiert. Gegründet haben es Andrea Baumgartner, 32, und ihre Kollegin Alejandra Perez, 34, vor zwei Jahren.

Kleine Produktionsstätten mit sozialem Hintergrund stellen die Anziehsachen her

Bei der Wahl der Manufakturen, die für die Münchner Modefirma produzieren, kommt es Baumgartner nicht darauf an, dass es möglichst billig ist und schnell geht. Bewusst haben sie und ihre Kollegin sich für kleine Produktionsstätten mit sozialem Hintergrund entschieden. Die Wahl fiel deshalb schnell auf das Nähwerk "Weißer Rabe" in der Schwanthalerstraße. Dessen Träger ist der Caritasverband. Der Betrieb unterstützt hilfsbedürftige Menschen dabei, sich gesellschaftlich zu integrieren. Neben dieser Münchner Produktionsstätte arbeitet Isargold außerdem mit einer Behindertenwerkstatt in Berlin zusammen. Baumgartner weiß, dass es dort manchmal etwas länger dauern kann. Wichtig ist ihr aber nicht Quantität, sondern Qualität. Für große Firmen wäre dieser Ansatz schwierig umzusetzen, aber diesen Luxus kann sich das kleine Label leisten.

Auch die Stoffe für ihre Kleidungsstücke beziehen sie von kleinen Firmen. Ein junges Start-up aus Berlin beliefert sie mit nachhaltig produzierten Jersey-Stoffen. Ihre Baumwollstoffe bekommen sie von einem kleinen spanischen Familienunternehmen. Die Stoffe aus reiner Baumwolle werden direkt in Barcelona produziert. Und auch die Merino-Schurwolle, die das Modelabel verwendet, stammt von einem kleinen Produzenten aus Rosenheim. Nicht immer steht Bio und Fair Trade auf den Produkten - zu 90 Prozent ist das aber dennoch der Fall, sagt Baumgartner. Das gilt auch für das Modelabel selbst: Ein Biozertifikat kostet viel Geld und ist momentan noch zu teuer. Trotzdem legt Baumgartner Wert auf hochwertige und nachhaltige Produkte. Ohne dabei Bioverfechterin sein zu wollen, sagt Baumgartner. Ihr ist es wichtig, ihren eigenen Ansprüchen zu genügen: beste Qualität. Weil sie alle Produktionsstätten selbst besucht hat, weiß sie genau, was sie ihren Kunden verkauft.

Baumgartner hat in den vergangenen zwei Jahren aber die Erfahrung gemacht, dass den jungen Eltern nicht in erster Linie das Bio-Zertifikat wichtig ist. Die Menschen begeistern sich stattdessen für die Nähmaschine, die in einer Ecke des Ladens steht. Und dafür, dass Isargold ein Münchner Label ist. Individualität und Handarbeit zählen offenbar mehr als Bio- und Fair-Trade-Siegel.

Natürlich geht es auch um Mode. Aber eben um solche, die für Menschen gemacht ist. Für kleine Menschen, die die Welt entdecken wollen. Aus Erfahrung weiß die zweifache Mutter, dass es auf dieser Entdeckungsreise auch mal schmutzig zugehen kann. Helle Farben hat sie deshalb sehr schnell aus ihrem Farbsortiment genommen.

Ganz zu Beginn war die Idee, "Groß-Klein-Sachen" zu entwerfen, sprich: eine Papa-Sohn- und eine Tochter-Mama-Kollektion. Dieses Konzept umzusetzen, hätte aber den Rahmen gesprengt: Zu viele verschiedene Größen und Farben wären schon zu Beginn notwendig gewesen. Viele Ideen gab es seitdem, der momentane Fokus liegt vor allem auf Kleidung für Babys. Nur ab und zu macht Baumgartner noch Sachen für sich selbst und andere Erwachsene. Immer sind ihre Ideen von skandinavischen und französischen Designern inspiriert.

Baumgartner erzählt zögerlich. So viel über sich selbst zu reden, findet die gebürtige Münchnerin eher befremdlich. Sie wirkt fast erstaunt darüber, dass ihre Geschichte es tatsächlich wert sein soll, erzählt zu werden. Und genau das ist es, was sie so authentisch macht: Sie macht einfach nur das, was ihr Spaß macht. In einer Branche, die von Effekthascherei bestimmt ist, eher eine Seltenheit.

Irgendwas mit Mode machen? Das war nicht immer Baumgartners Traum. Studiert hat sie nach dem Abitur zunächst Germanistik, Italienisch und Englisch. "Meine Leistungskurse halt", sagt Baumgartner. Schnell war aber klar, dass das nichts für sie ist, und sie schmiss hin. Mehr aus einer Laune heraus hat sie sich dann im Internet eine Nähmaschine bestellt und ihr erstes Stück geschneidert - und konnte nicht mehr damit aufhören. Eine Ausbildung war für sie der nächste logische Schritt.

Fast zeitgleich mit dem Ende ihrer Ausbildung bekam Baumgartner ihr erstes Kind und kurz darauf schon ihr zweites. Einen Jungen und ein Mädchen. Sich mit 25 selbstständig machen? Darüber hat sie als junge Mutter nicht nachgedacht - trotz ihrer Leidenschaft fürs Nähen. Kleidung hat sie aber schon früh nicht nur für ihre eigenen Kinder entworfen, sondern auch für die von Freunden und Verwandten. Außerdem hat sie ihre Designs über diverse Onlineportale verkauft und abends Nähkurse gegeben. Ihre Freundin Alejandra Perez, die im Bereich Design und Marketing arbeitet, half ihr dabei.

Das kleine Geschäft trägt sich, zum Leben reicht es aber bislang noch nicht

Perez war es schließlich auch, die Baumgartner ermutigte, gemeinsam mit ihr den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Baumgartner ist der kreative Kopf von Isargold. Sie entwirft die Schnitte und fertigt die Muster an. Perez ist für die Vermarktung zuständig. Außerdem kümmert sie sich um den Kontakt mit den Manufakturen, die für das kleine Label produzieren. Alleine wäre dieser Schritt mit zwei kleinen Kindern unmöglich gewesen, sagt Baumgartner.

Das kleine Geschäft trägt sich selbst, zum Leben reicht es für Perez und Baumgartner aber bislang noch nicht. Perez arbeitet nebenbei als Freelancerin, Baumgartner bleibt neben ihrer Arbeit für Isargold keine Zeit mehr für einen weiteren Job. "Die paar Jahre, wo die Kinder einen bedingungslos lieben und brauchen", will die junge Mutter zudem auf keinen Fall verpassen.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: