Interview:Sympathy for the Gesamtkonzept

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Mike Love von den "Beach Boys" über kalifornische Mädchen, Spaß an der Musik und die Würde des Alterns.

Bernhard Blöchl

Mit ihrem gut gelaunten Surf-Sound schrieben die Brüder Carl, Dennis und Brian Wilson Musikgeschichte. Die Beach Boys gaben dem Rock in den Sechzigern neue Impulse - "Good Vibrations" sozusagen.

Die Beach Boys (Foto: oh)

Für einige ist das Kapitel der Strandjungs längst zugeschlagen. Mike Love, der Cousin des Brüder-Trios, hält die Fahne der Kalifornier weiterhin hoch. Zum ersten Mal seit 1999 kommen der Sänger und seine Musiker nach Deutschland. Am Sonntag, 13.Juli, 19.30 Uhr, lassen sie auf dem Tollwood alte Hits neu aufleben.

SZ: Das erste Beach-Boys-Album kam vor mehr als 40 Jahren heraus. Was ist das für ein Gefühl, mit 62 Jahren noch immer auf Tour zu gehen und von "California Girls" zu singen? Love: Es fühlt sich richtig gut an. Denn ein Beach-Boys-Publikum besteht aus allen Altersgruppen: Angefangen von Kindern, die mit ihren Eltern und Großeltern kommen, bis hin zu Fans aus den fünfziger und sechziger Jahren. Ich bin sehr glücklich darüber, dass unsere Musik über so viele Jahre anerkannt wird. Und dass wir selbst noch immer Gefallen daran finden. Viele Menschen verlieren irgendwann die Lust an dem, was sie tun. Ich nicht. Zumal ich inzwischen der Lead-Sänger bin und von vielen Songs der Co-Autor.

SZ: Mal ehrlich: Glauben Sie noch immer an den Mythos der ewigen Jugend, wovon Sie in Ihren Songs erzählen? Love: (lacht, zögert) Ja, ich bin ein Musterbeispiel für positive Einstellung dem Leben gegenüber. Der Optimismus in den Texten hat viel mit mir persönlich zu tun. Ich hab es immer so gehalten: Wenn du einen Song schreibst, solltest du die positiven Seiten des Lebens akzentuieren. Negatives gibt es genug im Leben eines Menschen und in der Welt.

SZ: Sonne, Girls und Surfen - sind das noch immer Themen, die Ihnen am Herzen liegen? Love: Ja klar! Ich denke, jeder genießt es, an den Strand zu gehen und Urlaub zu machen. Das ist ein natürliches Begehren. Und mal ehrlich: Wem gefällt es nicht, sich schöne Mädchen anzusehen? (lacht) So spielt die Natur. Beach-Boys-Songs sind natürlich. Manche inspirieren sie sogar, diesen Lifestyle zu leben. Für andere wiederum ist es reine Nostalgie. Für Leute in meinem Alter etwa. Aber Nostalgie ist schon in Ordnung.

SZ: Wie ein Beach Boy fühlen Sie sich also nicht mehr? Love: Nein, nicht wie ein Beach Boy. Vielleicht bin ich so etwas wie ein Sympathisant des Gesamtkonzeptes (lacht).

SZ: Lassen Sie uns über das aktuelle Line-Up der Band sprechen. Außer Ihnen ist keiner mehr aus der Ur-Formation dabei - Bruce Johnston kam ein paar Jahre später dazu. Sind das überhaupt noch die Beach Boys, deren Sound die Welt vor Jahrzehnten verrückt machte? Love: Veränderungen sind nun mal unausweichlich. Mein Cousin Carl, der Lead-Gitarrist war, starb vor einigen Jahren. Das sind negative Zwischenfälle, die dich emotional beeinflussen. Und die dramatische Veränderungen herbeiführen. Das Schöne an Musik ist aber: Wenn du einen guten Sänger hast und einen guten Instrumentalisten, der den Gitarrenpart perfekt nachspielen kann, dann kannst du die Songs kopieren und wieder neu erschaffen. Und genau das machen wir.

SZ: Sie haben den Tod Ihres Cousins Carl Wilson angesprochen. Wie ist Ihr Verhältnis zu dessen Bruder Brian, dem genialen Songschreiber, der sich nach und nach löste von den Beach Boys? Love: Ich denke, es ist o.k. Immer, wenn ich mit Brian rede, ist es recht angenehm. Brian Wilson hat sich in den vergangenen Jahren auf Soloprojekte konzentriert, mit denen er auf Tour geht.

SZ: Hat er überhaupt noch etwas zu tun mit den Beach Boys? Love: Zur Zeit nur historisch gesehen. Allerdings sagte er einem amerikanischen Journalisten, mit dem ich vor ein paar Tagen sprach, dass er gerne ein neues Beach-Boys-Album machen würde ...

SZ: Hätten Sie daran Interesse? Love: Ich würde das gerne machen. Das wäre wie ein Déjà-vu: Ich treffe auf meinen Cousin und wir schreiben zusammen neue Songs. Das wäre wie in alten Zeiten. Was für ein Spaß!

SZ: Es gibt aber noch keine konkreten Pläne, oder? Love: Nein. Zur Zeit arbeite ich alleine an neuem Material. Es handelt sich um ein Projekt, das im nächsten Frühjahr veröffentlicht werden soll.

SZ: Ein früheres Album wird auch heute noch immer wieder genannt, wenn es um die besten Platten aller Zeiten geht. Wie wichtig ist Ihnen "Pet Sounds" persönlich, das im Jahr 1966 herauskam? Love: Ich finde, das Album verdeutlicht in hohem Grade die musikalische Entwicklung der Beach Boys. Wir haben sehr hart an den Stimmen gearbeitet. Die Stimmarrangements sind für sich genommen fantastisch. Das einzige, was die Bach Boys von den meisten anderen Popgruppen unterscheidet, ist die gepflegte, perfekte Vokalpartie. In diesem Sinne ist es ein Meisterwerk. Vielleicht ist es ja sogar unser wichtigstes Album. Die am meisten in sich geschlossene Platte war "Pet Sounds" auf jeden Fall.

SZ: Das Album lag eine Zeitlang im Wettstreit mit "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" von den Beatles. Die Karriere der Beach Boys verlief ja parallel zur deren Laufbahn. Spürten Sie so etwas wie Rivalität zwischen den beiden Bands? Love: Keine bedrohliche Rivalität, eher musikalisches Verständnis. Ich mag Paul McCartney, er ist einer der Größten im Geschäft. Vielmehr gab es in den Sechzigern einen lebendigen Wettkampf zwischen den Beatles und den Beach Boys, also etwas Positives. Das ist wie beim Tennis: Wenn du gegen einen starken Gegner spielst, holst du das Beste aus dir selbst heraus. Genau das passierte mit "Sgt. Pepper" und "Pet Sounds".

SZ: Vor ein paar Jahren sollten Sie rückwirkend sogar einen Grammy für "Pet Sounds" bekommen, lehnten aber ab. Warum? Love: Oh, ich weiß nicht. Daran erinnere ich mich nicht. Grammy-Award? Das verstehe ich nicht. Ich verstehe Ihre Frage nicht, weil ich mich nicht erinnern kann. Vielleicht liegt darin das Problem.

SZ: Wollen Sie nicht darüber reden? Love: Das habe ich nicht gesagt! Ich sagte, ich erinnere mich nicht ... Ich denke, das sind böse Gerüchte.

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