Interview mit "Franz Ferdinand":Wok'n'Roll

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Als Alex Kapranos in New Orleans Alligatorwurst aß, leitete die Polizei Tränengas in eine Wohnung über dem Restaurant. In Singapur lud er 6000 Fans zum Frühstück ins Hotel - als Rache, weil ihm der Direktor verboten hatte, in der Lobby zu essen. Und irgendwo dazwischen liegt der Wahnsinn der Welttournee einer der angesagtesten Popbands der Gegenwart.

Jochen Temsch

SZ: Was hat Rock'n'Roll mit Essen zu tun?

Alex Kapranos von "Franz Ferdinand" (Foto: Foto: dpa)

Kapranos: Ohne beides kann man nicht überleben. Und: Eine gute Küche ist aus dem gleichen Grund gut wie eine gute Band - wegen der Beziehung der Leute, die darin arbeiten. Es ist diese Gruppendynamik, aus der die wunderbaren Dinge entstehen, die wir essen und hören wollen.

SZ: Und beides ist Kunst?

Kapranos: Ja, aber es gibt noch eine Ähnlichkeit: Gutes Essen und gute Musik sollte man nicht zu ernst nehmen.

SZ: Sie schreiben von Seeigeln, Fischhirnbrot und Blutlachen auf dem Teller - wie mutig muss man auf kulinarischer Welttour sein?

Kapranos: Mut würde ich es nicht nennen, aber Abenteuerlust. Ich liebe es, Dinge zu probieren. Aber manche probiere ich nur einmal. Zum Beispiel Stierhoden in Argentinien.

SZ: Beeinflusst gutes Essen das Rocken?

Kapranos: Absolut. Deshalb esse ich nichts mehr vor den Gigs. Ich habe den Fehler ganz am Anfang gemacht, als wir noch kaum Geld hatten und viel zu unregelmäßig aßen.

Wir spielten in Sheffield, es gab ein Buffet. Ich haute genug rein für die nächsten paar Tage. Zwanzig Minuten später, auf der Bühne, machte ich die schlimmste Erfahrung meines Lebens: Das Essen lag mir tierisch im Magen, und übers Mikro musste ich dauernd aufstoßen. Seitdem esse ich nur noch nach der Performance.

SZ: Dafür haben Sie jetzt genügend Geld, alles zu essen, was Sie wollen. Gibt es im Franz-Ferdinand-Backstageraum nur noch Champagner und Kaviar?

Kapranos: Absolut nicht! Auch im Buch beschreibe ich vor allem gewöhnliches Essen. Das Tolle ist ja, dass man so auf den Geschmack einer Stadt kommt. In schicken Restaurants servieren sie überall auf der Welt das Gleiche, extrem gute Qualität natürlich - aber eigentlich normiert wie bei McDonald's. Viel mehr interessiert mich ein Donut auf der Straße in New York oder Falafel in Berlin.

SZ: Haben Sie auf Tournee Zeit genug für solche Streifzüge?

Kapranos: Meistens kriegt man den vollen Geschmack einer Stadt nicht mit. München ist ein Spezialfall, weil unser Gitarrist Nick McCarthy hier Musik studiert hat. Wir bleiben deshalb meistens etwas länger. Anderswo war das Buch eine gute Motivation, mich aufzuraffen.

SZ: Sind Menükarten Reiseführer?

Kapranos: Ja. Das Gegenteil davon, im Hotel zu bleiben, einen Cesar Salad und ein Club Sandwich zu bestellen - und viel zu verpassen. Aber noch aussagekräftiger als das, was die Leute essen, ist, wie sie essen und wo.

Man sollte jedoch keine Nation über ihr Essen beurteilen - andernfalls bekämen die Schweden ein Problem mit mir. Unser erstes Album nahmen wir in Malmö auf. Ich mochte die Leute, fand aber keine aufregenden Gerichte.

SZ: Wenn sie etwas Aufregendes finden, nehmen Sie dann zu?

Kapranos: Nein. Es gibt einen Unterschied zwischen Spaß am Essen und Völlerei. Übergewicht kommt nicht vom Genuss, es kommt davon, dass die Leute viel Müll essen und nicht aufhören können.

SZ: Wann ziehen Sie wieder mit einem neuen Album los?

Kapranos: Zurzeit schreiben wir in Glasgow an neuen Songs, vielleicht gehen wir im Spätsommer damit ins Studio. Ich denke, wir werden bis März nächsten Jahres mit der Platte fertig.

SZ: Und was essen Sie, während Sie daran arbeiten?

Kapranos: Sushi. Es ist frisch, leicht und zieht einen nicht runter. Man kann es zwischendurch essen. Und es riecht nicht stundenlang so übel im Studio wie zum Beispiel Pizza.

Alex Kapranos liest am Mittwoch um 20.30 Uhr im Ampere aus ,,Sound Bites'' (Kiwi)

© SZ vom 14.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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