Interview:Mehr Stromanbieter - weniger Kosten

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Ja zu Umweltzonen, nein zum Transrapid: Sigmar Gabriel im Gespräch über kommunale Energie- und Verkehrspolitik.

Jan Bielicki

Sigmar Gabriel (SPD) ist seit 2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung bezeichnet er die Forderung als "Illusion, man müsse gleichzeitig aus der Atomkraft und aus der Kohle aussteigen". In der Rathauskoalition hatten sich zuletzt die Grünen mit der Forderung durchgesetzt, den Stadtwerken die Beteiligung an einem Kohle-Kraftwerk zu untersagen.

Minister Gabriel will künftig die Stadtwerke fördern. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Die Stadtwerke München produzieren ein Drittel ihres Stroms im Atomkraftwerk Ohu 2. Wie lange wird das nach den Störfällen in Krümmel und Brunsbüttel noch gehen?

Gabriel: Das regelt sich eindeutig nach dem Atomgesetz. Da sind die Laufzeiten für jedes Atomkraftwerk entsprechend der produzierten Strommenge eindeutig festgeschrieben. Wir wollen aber die älteren Gefährdungsmeiler wie Krümmel oder Brunsbüttel schneller vom Netz nehmen. Dafür könnten dann im Gegenzug modernere und sicherere Kraftwerke, zu denen Ohu 2 gehört, länger laufen. So sieht es das Atomgesetz vor. Leider haben die Energieversorger aber das exakte Gegenteil vor: Sie wollen Strommengen von jüngeren auf ältere Meiler übertragen. Das ist natürlich absurd, ausgerechnet Kraftwerke, mit denen wir permanent Probleme haben, länger laufen zu lassen und modernere Kraftwerke dafür kürzer.

SZ: Um die Stromlücke nach einem Atomausstieg zu schließen, wollten die Münchner Stadtwerke in Kohlekraftwerke investieren. Können Sie das angesichts des Klimawandels denn empfehlen?

Gabriel: Wir wollen bis 2020 aus der Kernenergie aussteigen und bis dahin die Energieeffizienz massiv erhöhen sowie den Anteil der Erneuerbaren auf etwa ein Drittel steigern. Die Frage ist, woher die restlichen 70 Prozent kommen. Es ist natürlich eine glatte Illusion zu fordern, man müsse gleichzeitig noch aus der Kohle aussteigen. Denn wir werden 2020 nicht zwei Drittel unseres Stroms in Gaskraftwerken erzeugen können, weil Gas ein sehr teurer und noch dazu knapper Brennstoff ist. Also werden wir die Kohle weiter nutzen müssen, aber nicht in den Kraftwerken, die wir heute haben. Bis 2012 werden neun neue Kohlekraftwerke gebaut und alte ersetzen. Die Regeln über den Handel mit Emissionsrechten sind so aufgebaut, dass wir damit 42 Millionen Tonnen an Kohlendioxid-Ausstoß einsparen.

SZ: Aber auch Kohlestrom wird teurer, nicht zuletzt wegen des Emissionshandels.

Gabriel: Gegen höhere Preise hilft nur mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt, und das heißt: mehr Anbieter. Deswegen wollen wir ja besonders die Stadtwerke fördern.

SZ: Zweites großes Thema in der städtischen Umweltdebatte ist die geplante Umweltzone. Was erwarten Sie sich von solchen Zonen?

Gabriel: Es gibt ja einen Grund, warum die Europäische Union ihre Feinstaubrichtlinie erlassen hat. Die Belastung durch hohe Feinstaub-konzentrationen führt zu massiven gesundheitlichen Problemen. Da kann man doch nicht tatenlos zusehen. Mit der Einrichtung von Umweltzonen können die Kommunen besonders belastende Fahrzeuge vom innerstädtischen Verkehr ausschließen.

SZ: Wenn es so dringend war, warum hat es dann so lange gedauert, bis die für die Einrichtung der Zonen nötige Kennzeichenverordnung kam?

Gabriel: Weil es außerordentlich schwierig war, sich mit den Bundesländern zu einigen, wie diese Kennzeichnung aussehen soll. In der Frage darüber, ob die Fahrverbote in den Zonen auch ältere Autos mit Katalysatoren nach der so genannten US-Norm betreffen, haben wir im übrigen genau das umgesetzt, was die Bundesländer wollten. Aber wir haben die Verordnung auf Wunsch der Länder jetzt noch einmal modifiziert. Ich gehe davon aus, dass die Städte davon sorgfältig Gebrauch machen. Die Kommunen wissen auch selbst am besten, wo sie was zulassen und welche Ausnahmen sie genehmigen.

SZ: Trotzdem wird der Ärger der Ausgesperrten groß sein.

Gabriel: Aber die Zonen helfen auch den Menschen, gerade Kranken und Kindern, denen der Feinstaub besonders zusetzt. Die Einrichtung einer Umweltzone kann auch ein Anreiz sein, auf den in München besonders guten öffentlichen Nahverkehr oder auf weniger belastende Autos umzusteigen. Wir fördern ja auch die Nachrüstung mit Partikelfiltern.

SZ: Sehen Sie eigentlich bis dahin den Transrapid vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen schweben?

Gabriel: Ich komme aus Niedersachsen, wo der Transrapid jahrelang im Kreis gefahren ist, bevor die Chinesen gezeigt haben, dass es auch geradeaus geht. Nein, die Magnetbahn ist schon eine faszinierende Technik - allerdings vor allem als Konkurrenz zum Flugzeug auf weiten Strecken. Sie statt oder neben einer S-Bahn auf kurzen Strecken einzusetzen, macht wenig Sinn.

© SZ vom 24.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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