Interview:"Eine gewisse Gereiztheit"

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Angela Schuh, Professorin für Medizinische Klimatologie, hat wissenschaftliche Beweise für die Wetterfühligkeit gefunden

Interview von Claudia Wessel, München

Es ist kein Spleen und es ist auch keine Ausrede, sondern es gibt sie wirklich, die Wetterfühligkeit. Davon sind nicht nur die Betroffenen überzeugt. Angela Schuh, Professorin für Medizinische Klimatologie am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Autorin des Buchs "Biowetter - Wie das Wetter unsere Gesundheit beeinflusst", hat die Wetterfühligkeit wissenschaftlich bewiesen. Die Forscher teilen das Phänomen in zwei Komponenten auf: wetterfühlig und wetterempfindlich. Die Wetterempfindlichkeit betrifft Kranke, deren Symptome sich je nach Wetterlage ernsthaft verschlechtern. Die Wetterfühligkeit betrifft gesunde Menschen, die aber bestimmte körperliche Wahrnehmungen mit dem Wetter in Verbindung bringen.

SZ: Macht Föhn manche gereizt?

Angela Schuh: Wetterfühlige Menschen haben bei Föhn häufig Beschwerden wie Müdigkeit, Kopfdruck, schlechter Schlaf und Ähnliches, die sich auch in einer gewissen Gereiztheit zeigen können.

Was belastet Menschen, wenn Föhn herrscht?

Bei Föhn wird es plötzlich - und in Abweichung vom eigentlichen Wetterverlauf - ungewöhnlich warm und trocken. Diese plötzlichen und heftigen Temperatur- und Feuchtigkeitsveränderungen können für die Beschwerden beim Föhn verantwortlich gemacht werden. Es werden aber auch Schwingungen der Luft diskutiert: Wellenbewegungen und Luftdruckschwingungen, die sich ergeben, wenn die Luft vom Süden über die Alpen strömt und die sich bis in Bodennähe fortsetzen.

Kann man dann quasi von menschlichen Wetterfröschen sprechen, die mit Hilfe ihrer körperlichen Symptome das Wetter vorhersagen können?

Ja, das sind die sogenannten "Wetter-Vorfühligen". Dabei handelt es sich um besonders wetterempfindliche Menschen mit Erkrankungen des Bewegungsapparates wie zum Beispiel Arthrose oder Arthritis, die vor allem Wetterwechsel hin zum feucht-kalten Wetter anhand einer Schmerzverstärkung spüren.

Ob es nun wärmer wird oder kälter, sich Schnee ankündigt oder ein Sturm, manche Menschen spüren offenbar jeden Umbruch. Können sie dagegen etwas tun oder müssen sie das Ganze einfach aushalten?

Man kann prophylaktisch dagegen etwas tun und die Wetterfühligkeit in gewisser Weise abtrainieren: vor allem das Thermoregulationssystem etwa durch Warm- und Kaltreize unter anderem als Kneippsche Hydrotherapie, Schwimmen im kühlen Wasser, Sauna trainieren. Zudem ist leichter Ausdauersport im Freien sinnvoll. Außerdem sollte man bei jedem Wetter an die frische Luft gehen. Diese Tipps gelten aber nur für Wetterfühlige, die "nur" subjektive Symptome haben, nicht aber für Vorgeschädigte, die eventuell auch dem Wetter "ausweichen", also am besten zu Hause bleiben sollten.

Angeblich gibt es ja auch noch eine emotionale Komponente der Wetterfühligkeit?

Man kann zum Beispiel beim Föhn von München aus die Berge sehen. Damit erkennt man ihn und kann Beschwerden, die eventuell von etwas ganz anderem kommen, auf den Föhn schieben. Davon abgesehen muss man für Wetterfühligkeit auch ein bisschen offen sein: Jeder Körper nimmt zwar Anpassungsvorgänge bei Wetterveränderungen vor, aber nicht jeder Mensch bemerkt sie und nicht jeder ordnet sie auch entsprechend zu. Dies soll aber die Wetterfühligkeit nicht relativieren. Wissenschaftlich bewiesen ist, dass es sie gibt, und dass eine erhebliche Anzahl von Menschen teilweise sogar massiv darunter leiden.

In Ihrem Buch über das Biowetter schreiben Sie unter anderem, dass vor allem bei sehr kaltem Wetter die Anzahl der Todesfälle steigt. Betrifft das nur bereits Erkrankte? Können sie sich davor schützen?

Das betrifft nur Menschen, die bereits an Herz- und Gefäßerkrankungen leiden. Deshalb sollten diese bei kaltem Wetter und Kaltlufteinbrüchen nicht ins Freie gehen, und wenn, dann nur sehr gut geschützt. Vor allem der Kopf und das Mund-Nasen- Rachen-Dreieck müssen geschützt und das Einatmen kalter Luft sollte vermieden werden. Außerdem soll man als Vorgeschädigter dann unbedingt körperliche Arbeit im Freien, wie Schneeschaufeln, vermeiden.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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