Instituto Cervantes:¡ Hola !

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Tausende Münchner lernen hier die Sprache, manche finden die Liebe ihres Lebens: Das Spanische Kulturinstitut wird 60 Jahre alt. Ein Besuch in einem Haus voller Geschichten und Persönlichkeiten

Von Martina Scherf und Antje Weber

Sechzig Jahre Instituto Cervantes, das bedeutet auch: 60 Jahre europäische Geschichte, Dialog und Annäherung. Es war die Wittelsbacher Prinzessin Maria del Pilar, die ein spanisches Kulturinstitut nach München holte, und zwar direkt in die Residenz. Im Beisein von Politik, Hochadel und Klerus wurde das Instituto Español, wie es damals hieß, 1956 eröffnet. Manche mokierten sich, man erweise dem Diktator Franco damit zu viel Ehre. Lange Zeit war der Geist des Hauses sehr konservativ, und das Publikum, so erinnert sich Javier González Vilaltella, damals Dozent, "pflegte ein romantisch-verstaubtes Spanienbild". Doch das Interesse wuchs, und als Franco 1975 starb, öffnete sich das Land Richtung Europa. Eine Schrecksekunde erlebten die Mitarbeiter des Instituto Español im Februar 1981, als Putschisten das Parlament in Madrid stürmten. "Da besetzten wir das Haus", erinnert sich der frühere Dozent Rufino Sánchez, "und sagten: Wir gehen erst wieder, wenn der Spuk vorbei ist." 1994 erhielt die Einrichtung - wie alle Institute weltweit - den Namen des berühmtesten iberischen Dichters Cervantes. Es vertritt auch die Kulturen Lateinamerikas. Das Interesse an Spanisch, der zweithäufigsten Muttersprache der Welt, ist enorm gestiegen. 130 000 Spanier leben in Deutschland, fast 10 000 in München und Umland. Fast eine halbe Million Deutsche wohnen in Spanien. Und das Interesse der Münchner am Kulturinstitut ist groß: Sie besuchen Konzerte, Lesungen, Filme und debattieren mit spanischen und lateinamerikanischen Künstlern und Intellektuellen. 3000 Schüler, vom Kind bis zum Manager, besuchen jedes Jahr Sprachkurse.

Der Chef

Ähnlich wie beim Goethe-Institut müssen auch die Cervantes-Direktoren alle fünf Jahre ihren Standort wechseln. Ferran Ferrando hatte Glück, er konnte nach Stationen in Stockholm und Barcelona nach München zurückkehren, seiner Herzensstadt. Dialoge sind ihm wichtig, mit Museen, Theatern, Schulen und Hochschulen in Bayern, damit die Leute über Sprach- und Landesgrenzen hinweg einander verstehen. Der Romanist, einst Gastarbeiterkind, spricht Deutsch, Spanisch und Katalanisch absolut gleichwertig, ein idealer Vermittler also. Im vergangenen Jahr ging es in seinem Haus um "Europa im Wandel", da diskutierten die Teilnehmer bis tief in die Nacht. So etwas mag er. "Denn jeder erlebt die Krisen anders", sagt der gebürtige Katalane, "und im Kern geht es doch um die Frage: Was treibt die Menschen um?" Das Münchner Publikum sei anspruchsvoll, stellt er fest, "die Leute fragen kritisch nach", das gefällt ihm.

Die Liebe

Das Instituto Cervantes kann Leben verändern. Evelyn Pechinger-Theuerkauf und Steffen Theuerkauf können das bezeugen: Beide lernten sich im Sommer 1997 in einem Sprachkurs kennen - und lieben. "Es war damals ein sehr kleiner Kurs, und Steffen war der einzige Mann", erinnert sich Evelyn Pechinger-Theuerkauf. "Er brauchte den Kurs beruflich, und ich brauchte ihn für mein Studium, um das fehlende Große Latinum auszugleichen." Steffen sei immer direkt von der Arbeit bei einer Bank im Anzug gekommen, erzählt sie, "das war mir gänzlich unsympathisch". Aufmerksam wurde sie jedoch, als er das Spanisch-Buch von ihr zum Kopieren ausleihen wollte und trocken fragte, ob er dafür die Seiten rausreißen dürfe: "Oh, der ist ja doch locker!" dachte sie sich.

Zwei Jahre später heirateten die beiden und bekamen von ihrer Spanischlehrerin passenderweise ein Lexikon geschenkt. Und noch einmal brachte das Instituto Cervantes ihnen Glück: Kurz nach der Hochzeitsreise besuchten sie im Sommer 1999 ein Fest des Instituts. Bei einem Preisausschreiben konnte man an jenem Tag eine Reise nach Spanien gewinnen. Zunächst wurde ein anderer Name als Gewinner ausgerufen - niemand meldete sich. Ein zweiter Name - keine Reaktion. Als dritte wurde Evelyn Pechinger-Theuerkauf gezogen: "So kamen wir zu einer zweiten Hochzeitsreise." Kein Wunder, dass sie und ihr Mann sich im Instituto Cervantes "gut aufgehoben" fühlten, auch "die Lehrer waren klasse". Heute haben sie und ihr Mann, die mit ihrer Tochter in Rott am Inn leben, kaum mehr mit dem Institut zu tun. Ab und zu nur muss die 48-jährige Kunsthistorikerin, die über den chilenischen Maler Roberto Matta promoviert hat, spanischsprachige Quellen auswerten. Das dicke Lexikon ihrer Lehrerin tut dann gute Dienste.

Noble Adresse: Das spanische Kulturinstitut residiert in einem stattlichen Anbau an die Residenz, gleich hinter der Oper. (Foto: Florian Peljak)

Die Kultur

Ihn interessieren die Brüche. Wie damals vor vier Jahren, als der Cervantes-Kulturreferent Manfred Boes den Flamenco-Gitarristen Pepe Habichuela für einen Meisterkurs an die Musikhochschule vermittelt hatte - und beide Seiten nicht wussten, wie sie miteinander umgehen sollten. Sprachprobleme? "Das sowieso." Aber auch kulturelle Barrieren, denn der Gitarrist gab den Studenten nicht das, was sie wollten: keine Tonleitern, kein Feedback. Bis sie anfingen, zusammen zu improvisieren - und Worte überflüssig wurden.

Das sind die Momente, die Boes sucht. Seine Aufgabe definiert er denn auch so: "Ich bin dafür zuständig, dass der Dialog stattfindet. Und das Instituto Cervantes ist für mich eine Ermöglichungsplattform." Das mag etwas theoretisch klingen, und wer Boes öfter trifft, kennt sein Faible für Theorie und Philosophie. Dieser Kulturermöglicher, der seit 2007 in München wirkt, hat eben ein breites Spektrum: Schließlich hat er neben Philosophie und Romanistik auch noch Musik studiert.

Doch auch wenn Boes von Gitarrenkursen schwärmt und vom spanischen Streichquartett-Repertoire, das in Deutschland noch niemand kenne: Die Literatur liegt ihm ebenfalls am Herzen. Auch hier findet er das Ungewohnte spannend, zum Beispiel, "wenn die ältere Generation der spanischen Dichterinnen und Dichter noch wagt zu singen". Wissen Deutsche und Spanier sehr viel mehr voneinander als früher?"Spanien ist näher an Zentraleuropa gerückt, kulturell gesehen ist es aber immer noch ein unentdecktes Land", sagt Boes. Sein größter Traum: "Ich würde gerne einen Dichter-Kongress anregen." Man könne doch eine neue Achse Berlin-Paris-Madrid-Lissabon etablieren, findet er: "Es gibt eine Menge Gesprächsbedarf - und München wäre ein toller Ort dafür."

Die Schülerin

Als Nicole Kusche vor zwei Jahren ihre Koffer packte, um die nächsten fünf Monate in Madrid zu verbringen, konnte sie außer "Buenos dias" und "Que tal?" noch kein Wort Spanisch. Sie hatte sich spontan entschieden, ein Praktikum in Spaniens Hauptstadt zu machen. "Innerhalb von zwei Wochen hatte ich eine Wohnung gefunden und bin umgezogen", sagt sie. Sie arbeitete bei einer deutschen Übersetzungsagentur und übertrug Texte vom Englischen ins Deutsche, der Standort war für den Job nebensächlich. Eigentlich. Doch Madrid gefiel der Allgäuerin so gut, dass sie, kaum nach Deutschland zurückgekehrt, beschloss, richtig Spanisch zu lernen. "Es ist so eine schöne Sprache", sagt die 32-Jährige. Mittlerweile in München tätig, als Übersetzerin für Medizintechnik, meldete sie sich im Instituto Cervantes an.

Der Chef

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(Foto: Catherina Hess)

Ferran Ferrando ist der Direktor des Instituto Cervantes. Der Romanist, einst Gastarbeiterkind, spricht Deutsch, Spanisch und Katalanisch.

Die Liebe

Evelyn Pechinger-Theuerkauf lernte ihren Mann am Instituto Cervantes kennen. Die Spanischlehrerin schenkte den beiden zur Hochzeit ein Lexikon.

Die Kultur

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(Foto: N/A)

Manfred Boes, ist Kulturreferent des Instituto Cervantes. Er sagt: "Ich bin dafür zuständig, dass der Dialog stattfindet."

Die Schülerin

Nicole Krusche belegt schon den vierten Sprachkurs am Instituto. Mittlerweile kann sie sich ganz gut auf Spanisch unterhalten.

Die Dame

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(Foto: Florian Peljak)

María Cecilia Alcubilla de Bayer kam 1962 nach München. "Manchmal hörte ich die Jungs sagen: Schau her, da kommt die hübsche Spanierin."

Nun ist sie schon im vierten Kurs und kann sich ganz gut unterhalten. "Die Lehrer sind alle Muttersprachler, der Unterricht ist sehr gut", sagt Kusche - sie muss es wissen, denn sie hat einen Bachelor in "mehrsprachiger Kommunikation" für Englisch und Französisch. Sie möchte möglichst noch in diesem Jahr wieder nach Spanien. Oder mal nach Lateinamerika. "Eigentlich zieht es mich immer wieder ins Ausland", sagt sie. Als Übersetzerin kann man schließlich überall arbeiten. Nur der Freund, der mag nicht so gerne länger aus dem Allgäu weg. Aber bisher haben die beiden noch immer eine Lösung gefunden.

Die Dame

Die spanische Gemeinschaft war überschaubar, als María Cecilia Alcubilla nach München kam. Sie hatte in Valladolid in den Fünfzigerjahren Lehramt studiert und beim "Deutschen Schulverein" von San Sebastian Spanisch unterrichtet. Mit einem Stipendium kam sie 1962 nach München. "Es war der Sommer, als Marylin Monroe starb", erinnert sie sich, "und das Nationaltheater war noch nicht wieder aufgebaut". An der Luitpold-Oberrealschule, dem heutigen Gymnasium, nahm sie am Unterricht teil. "Manchmal hörte ich die Jungs sagen: Schau her, da kommt die hübsche Spanierin", sagt sie und lacht. Dass sie die Blicke der jungen Männer auf sich zog, blieb auch ihrem späteren Ehemann nicht verborgen. Im Hofbräuhaus lernten sie sich kennen, er konnte schon Spanisch und schrieb ihr nach ihrer Rückkehr viele Briefe. Drei Jahre später heirateten sie in San Sebastian - "und gerade haben wir Goldene Hochzeit gefeiert"! Zwei Kinder kamen in Spanien zur Welt, das jüngste in München.

Da hatte Cecilia schon begonnen, die Kinder der Migranten zu unterrichten. 1970 erhielt sie die Anerkennung der Regierung von Oberbayern und die Lizenz vom spanischen Bildungsministerium für den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht. Heftig - und erfolgreich - wehrte sie sich später gegen ein "Bayerisches Modell", wonach Kinder ausschließlich in ihrer Muttersprache unterrichtet werden sollten, in der Annahme "die gehen eh zurück". Nein, sagte die Lehrerin, die Kinder sollten in deutsche Schulen gehen. "Die Zeit gab mir Recht", sagt sie heute stolz: Fast alle sind geblieben, viele sind mit Deutschen verheiratet und bestens integriert. Cecilia hat mit ihren Schülern viele Kulturveranstaltungen am Instituto Espanol besucht und organisiert, auch mit der Internationalen Jugendbibliothek. "Das war eine Bereicherung", sagt sie, "und die Möglichkeit, unsere zweite Kultur lebendig zu halten." Heute ist die spanische Gemeinde in München nicht mehr überschaubar. Aber zu vielen ehemaligen Schülern hat Cecilia noch Kontakt. Doch jetzt muss sie los, an die Uni: Sie studiert im Seniorenstudium Philosophie.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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