Insektenplage:Wespen im Anflug

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Mehr Notfälle, mehr Anfragen besorgter Bürger: Die Wespen sind zurzeit nicht weit. Der Bund Naturschutz meldet bis zu 50 Prozent mehr Insekten. Ob tatsächlich eine außergewöhnliche Plage herrscht, ist unter Fachleuten aber umstritten.

Armin Greune

Ob Kuchen- oder Wurstplatte, Spezi- oder Weißbierglas: Die Wespen sind zurzeit nicht weit. Auch unter Obstbäumen und an Altglascontainern sammeln sich die Insekten. Ob in diesem Jahr tatsächlich eine außergewöhnliche Wespenplage herrscht, ist unter Fachleuten umstritten - doch von Insektenstichen ausgelöste Notfälle treten in München und im Umland offenbar häufiger als sonst auf.

Der Bund Naturschutz vermeldet "30 bis 50 Prozent mehr Wespen als sonst", Experten der Bayerischen Landesanstalt für Gartenbau sehen dagegen keine Anzeichen für eine außergewöhnliche Plage. (Foto: dpa)

Bei der Einsatzleitstelle Fürstenfeldbruck, zuständig für die vier oberbayerischen Landkreise im Münchner Westen, spricht Schichtleiter Michael Meyr von "20 bis 30 Prozent mehr Notfällen" im Vergleich zu anderen Jahren. Allein das Starnberger Rote Kreuz rückt zurzeit im Durchschnitt einmal pro Woche aus, um bei Schockreaktionen nach Insektenstichen Adrenalin- oder Cortison-Präparate zu injizieren.

Über das Ausmaß der Plage sind sich nicht einmal die Zoologen einig. Während der Bund Naturschutz "30 bis 50 Prozent mehr Wespen als sonst" vermeldet, sehen Experten der Bayerischen Landesanstalt für Gartenbau dafür keine Anzeichen: Im warmen Frühjahr hätten ideale Brutbedingungen geherrscht, doch seien im feuchten Frühsommer viele Wespen verhungert. Vielleicht lässt sich der subjektive Eindruck einer Masseninvasion damit erklären, dass die Tiere heuer ein besonders distanzloses Verhalten gegenüber Menschen an den Tag legen. Sie lassen nicht einmal dann von Wurstsemmeln oder Kuchenstücken ab, wenn diese in den Mund gesteckt werden.

Den meisten Menschen bringt das Kühlen der Stichstelle oder das Auflegen einer angeschnittenen Zwiebel rasch Linderung. Einem bis fünf Prozent der Mitteleuropäer kann Wespengift jedoch gefährlich werden: Bei ihnen stellen sich nach einem Stich allergische Reaktionen ein - von Nesselsucht und Übelkeit bis zum Kreislaufschock. In Deutschland sterben jährlich bis zu 40 Menschen an der körpereigenen Überreaktion auf einen Insektenstich - meistens sind Bienen oder Wespen die Auslöser.

Panische Abwehrreaktionen sind kontraproduktiv: Mit jedem Fuchteln steigt das Risiko, gestochen zu werden. Selbst sanftes Wegpusten deuten die Insekten als Aggression, weil das Kohlendioxid der Atemluft für sie ein Alarmsignal ist. Zudem senden sterbende Wespen Botenstoffe aus, die Artgenossen anlocken. Ratsamer ist es, die Tiere mit einem abseits ausgelegten Köder wie überreifem Obst vom eigenen Essen abzulenken.

Wer am Haus ein Wespennest entdeckt hat, sollte es keinesfalls selbst beseitigen. Stadt und Landratsämter vermitteln erfahrene Fachleute, die Nester entfernen; die Feuerwehr greift nur ein, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht - etwa wenn Allergiker bedroht sind. Auch die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt München registriert deutlich mehr Nachfragen als in den vergangenen Jahren:Schon jetzt haben sich so viele besorgte Bürger gemeldet wie sonst im Verlauf eines gesamten Jahres. Ein weiteres Indiz dafür, dass das Verhältnis zwischen Mensch und Wespe heuer besonders angespannt ist.

© SZ vom 22.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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