Innenansicht:Weltstadt ohne Studie

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Unwillkürlich fühlte man sich am Donnerstag im Stadtrat an Gerhard Polts Diktum erinnert: "Wir brauchen keine Opposition, weil wir sind schon Demokraten"

Von Franz Kotteder

Unwillkürlich fühlte man sich am Donnerstag im Stadtrat an Gerhard Polts Diktum erinnert: "Wir brauchen keine Opposition, weil wir sind schon Demokraten!" Anlass war die Antwort von Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) auf den Grünen-Antrag, die Stadt solle eine Studie in Auftrag geben, die zeige, "wie interkulturell und international das Kulturleben in München ist". Die Antwort lautet, ausgebreitet auf 16 eng beschriebenen Seiten: Wir brauchen keine Studie, weil wir sind schon interkulturell.

Ganz so salopp ist das zwar nicht formuliert, und es geht auch weit über die klischeehafte Erkenntnis hinaus, dass München eine Weltstadt ist, im Biergarten der italienische Arbeiter neben dem englischen Manager sitzt und unter Umständen ein Schwanthalerhöher sogar mit einem Sollner spricht. Im Kulturreferat muss nämlich seit geraumer Zeit ein Soziologe sitzen, der die Stadtratsvorlagen aufpeppt. Da ist dann von "Transkulturalität" die Rede, von "migrantischen Parallelwelten", die "im Stadtraum verortet" sind. Auf Deutsch heißt das: In Volkshochschule, Stadtbüchereien, Museen und Theatern findet sehr viel Internationales und Interkulturelles statt. Das Ziel sei sowieso, dass sich die kulturelle Vielfalt der Stadtgesellschaft auch eins zu eins in der Verwaltung, in Museen und Theatern widerspiegle. Eine eigene Studie würde da "kaum wesentliche neue Erkenntnisse erbringen".

Man darf vermuten, dass diese Antwort anders ausgefallen wäre, wenn die Grünen noch in der Stadtregierung säßen. Da kriegt man leichter mal eine Studie zugebilligt, die es nicht braucht. Die Grünen wünschten sich also nur noch, man möge die interkulturelle Öffnung weiter vorantreiben und die einzelnen Institutionen sollten ihr Publikum noch genauer erkunden. Da war der Stadtrat einstimmig dafür. Der nächste Bericht soll 2017 folgen. Bis dahin wird man sich leider selber dem Kulturbetrieb aussetzen müssen, um festzustellen, ob er auch international und interkulturell genug ist.

© SZ vom 19.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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