Innenansicht:Politik mit Schweinshaxe

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In der Haushaltsführung schwanken die Stadträte im Münchner Rathaus zwischen asketischer Zurückhaltung und enthemmter Völlerei. Mal sehen, was sich die große Koalition als nächstes bestellt

Von Heiner Effern

Ein führender Münchner Politiker erzählte kürzlich bei einem Mittagessen von seiner erfolgreichen Diät. Auch nach der Zeit der Askese habe er sein neues Gewicht gehalten, legte er nicht ohne Stolz nach. Dafür, sagte er beim Blick in die Speisekarte, gönne er sich heute etwas. Und er bestellte eine Schweinshaxe.

Diese Episode soll jetzt nicht den Politiker an sich in ein schlechtes Licht rücken. Jeder über längere Zeit hungernde Genussmensch weiß um die Reize einer Speisekarte. Doch sie fällt exakt in die Zeit, in der die Selbstkasteiung in der Stadtpolitik angekommen ist. SPD und CSU wollen mit rigiden Mitteln den Verlockungen des Geldausgebens besser widerstehen: Die Ausschüsse im Stadtrat sollen keine Beschlüsse mehr fassen dürfen, die Auswirkungen auf den Haushalt haben. Sie sollen nur Empfehlungen aussprechen, die gebündelt zu einem Gesamtpaket bei einer Stadtratssitzung zum Haushalt oder zum Nachtragshaushalt genehmigt werden. Oder auch nicht.

Um die kurzzeitig zügellose Lust an neuen Stellen und Großprojekten zu verstehen, muss man ein paar Jahre zurückgehen. Der Stadtrat lebte in den letzten Jahren von Rot-Grün eher asketisch. Jede Euro-Kalorie wurde dreimal umgedreht, für Politiker sind diese Zeiten der finanziellen Diät recht spaßfrei. Nach der Kommunalwahl starteten SPD und CSU in ein gemeinsames Leben. Die Finanzen befanden sich noch in der intakten Nach-Askese-Phase: Die Schulden waren weit unten, in der Barkasse der Stadt lag eine wunderschöne Milliarde.

Es folgte die Zeit der Schweinshaxen. Jeder Fachbereich bestellte von der Karte, der Stadtrat schluckte alles. Das ging offensichtlich so weit, dass alle Beteiligten total den Überblick verloren, was sie sich schon alles geleistet hatten. Der Kämmerer musste im Oktober den Haushalt 2016 zurückziehen. Das wurde nun selbst CSU und SPD so unheimlich, dass sie sich die neue, vernünftige Lustbremse auferlegt haben. Natürlich mussten sie für schnelle Reaktionen bei Notfällen wie etwa der Flüchtlingskrise ein Hintertürchen einbauen. An dieser Pforte wird sich zeigen, ob CSU und SPD ihre Diät durchhalten. Oder ob sie nur als Schlupfloch zur nächsten Schweinshaxe dient.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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