Innenansicht:Luftballons über der Philharmonie

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Horst Seehofer will sich nicht an vorderster Front für einen Konzertsaal-Ort ins Zeug legen. Vermutlich will er erst einmal sehen, wie sich die Dinge entwickeln

Von Christian Krügel

Der Luftballon gehört zu einem wenig beachteten, aber gleichwohl extrem wichtigen Instrument des politischen Betriebs. Allzumal in Bayern, wo die Stimmungslage des Volkes unmittelbaren Einfluss auf den Tagesablauf wichtiger Menschen in der Staatskanzlei hat. Wird diese Stimmungslage indifferent, kommen gerne Ballons jedweder Größe zum Einsatz: Entscheidungen orientieren sich dann daran, wo der mediale und populistische Wind die Ballons hinträgt. Schön zu beobachten ist das in der Causa Konzertsaal. Der Plan von Ministerpräsident Horst Seehofer, sich dank einer runderneuerten Philharmonie den Bau eines neuen Konzerthauses sparen zu können, war dummerweise durch die Expertise unzweifelhafter Gutachter füsiliert worden. Seehofers Kultusminister Ludwig Spaenle ließ deshalb rasch einen Ballon steigen: Man könnte ja jetzt im Olympiapark eine neue Philharmonie bauen.

Die Feuilletons der Zeitungen jubeln darüber einhellig, selbst Grünen- und SPD-Politiker klatschen Beifall. Und am Dienstag hat nun auch die von Seehofer eingesetzte Arbeitsgruppe dem Vernehmen nach dringend vom ursprünglichen Gasteig-Plan abgeraten. Zumindest halten ihn die Münchner Philharmoniker und das BR-Symphonieorchester für eine grässliche Idee, die reichlich Schaden und wenig Nutzen bringen würde.

Jetzt wäre es für den Ministerpräsidenten also ein Leichtes, schnell Spaenles Ballon nachzueilen. Doch weit gefehlt. Der Ministerpräsident werde sich nicht an vorderster Front für einen Konzertsaal-Ort ins Zeug legen, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber am Dienstag nach der Kabinettssitzung. "Solche Fälle hat der Chef genügend hinter sich." Er werde sich erst in ein paar Tagen äußern. Vielleicht wenn er gesehen hat, wie der neue Ballon fliegt, den Marcel Huber dann noch in den Himmel schickte. Denn der zog das Votum der eigenen Arbeitsgruppe in Zweifel. Das sei ja "erstaunlich schnell" fertig geworden. Und es stehe ja auch der klare Satz drinnen: Der Gasteig-Plan sei "grundsätzlich möglich". Vielleicht sei es mit den Orchestern wie in einer Familie, die nur ein Auto habe. Man müsse zusammenrücken und sich übers Ziel einigen.

Konzertsaalhasser und -freunde blicken also abermals verblüfft in den Himmel und warten gespannt darauf, was OB Dieter Reiter an diesem Mittwoch den Stadträten dazu erzählen wird. Im Rathaus hieß es am Dienstag dazu nur: "Mal sehen, wie die Ballons fliegen."

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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