Initiative Checkpoint:Frühzeitig Gewissheit

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Seit zehn Jahren bietet die Aids-Hilfe anonym HIV-Tests an - künftig auch für daheim

Von Milena Hassenkamp

Früher war der HIV-Test gefürchtet: In den achtziger Jahren, erzählt Thomas Niederbühl, der Geschäftsführer der Münchner Aids-Hilfe, galt ein positiver Test nicht nur als Todesurteil, sondern Betroffenen drohte auch Stigmatisierung. Ohne Test gab es also auch keine Ausgrenzung. Für einen Vertreter der Aids-Hilfe war die Entscheidung, neben der Beratung auch HIV-Tests anzubieten, deshalb nicht einfach. Dennoch gründete Christopher Knoll 2007 die Initiative Checkpoint - um ein Angebot zu schaffen, bei dem sich Menschen anonym und niedrigschwellig testen und beraten lassen konnten. Es war das erste Mal in Deutschland. Inzwischen sind dem Vorbild auch Initiativen in anderen Städten gefolgt. Zum zehnjährigen Bestehen des Angebots will der Checkpoint den HIV-Test noch niedrigschwelliger machen: Mit einem Selbsttest für zu Hause, den es in anderen EU-Ländern bereits gibt.

Die Krankheit ist inzwischen behandelbar geworden, wenn man das Virus früh genug erkennt. Dennoch sterben laut Aids-Hilfe immer noch jährlich 1000 Menschen in Deutschland an den Folgen von Aids. Der Grund: sie erfahren zu spät von ihrer Infektion. Bei den Kampagnen, die mögliche Betroffene zum Test motivieren sollen, sei inzwischen ein Umdenken notwendig, sagt Christoph D. Spinner, HIV-Facharzt am Klinikum Rechts der Isar. Heute würden über Aids meist zwei gegensätzliche Botschaften kommuniziert: "Zum einen ist HIV behandelbar geworden." Damit habe auch die Angst vor dem Virus abgenommen. "Zum anderen wird in den Kampagnen immer noch gesagt, 'Wenn ihr kein Kondom tragt, kriegt ihr HIV'." Die Angst werde also wieder aufgebaut. Man könne Menschen letztlich nicht erziehen: "Wenn es um Sexualkontakt geht, kann man nicht an den Verstand appellieren", sagt Spinner. Prävention und Sexualmoral seien also zu trennen.

In der Beratung steht deshalb stets die Frage nach sexueller Zufriedenheit im Vordergrund, erzählt Christopher Knoll aus dem Beratungsalltag. Mithilfe eines Fragebogens soll der Betroffene seine sexuellen Erfahrungen und Praktiken schildern und sein Risikoverhalten einschätzen. Während eines anschließenden Gesprächs wird versucht, den Grund für das Verhalten des Betroffenen herauszufinden. Dann gehe es darum, Betroffene dazu zu bewegen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dabei soll auch der Selbsttest helfen, den der Checkpoint gerade entwickelt. Bei dem Modell, das in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien und Frankreich bereits erlaubt ist, kann jeder zu Hause Blut abnehmen, Abstriche machen und sie gemeinsam mit einer Urinprobe in ein Labor schicken. Das Ergebnis ist im Anschluss per App oder am Telefon abrufbar.

Auch an einem Schnelltest, bei dem man noch daheim Gewissheit haben kann, wird gearbeitet. "Diese Methode eignet sich besonders für Menschen einer Risikogruppe, die sich nicht nur ein Mal, sondern etwa fünf Mal im Jahr testen müssen - und deshalb auch nicht bei jedem Test ein Beratungsgespräch brauchen", erklärt Spinner. Ein Testkit würde zwischen 30 und 35 Euro kosten und wäre deshalb nur unwesentlich teurer als ein Test im Checkpoint. Auch Menschen mit einem höheren Bedürfnis nach Diskretion, so hofft man in der Beratungsstelle, könnten so vielleicht erreicht werden.

Bislang dürfen HIV-Schnelltests in Deutschland nur an Ärzte, Labore und Behörden verkauft werden. Doch der Heimtest könnte noch in diesem Jahr zugelassen werden und von Herbst an verfügbar sein. Nach Schätzungen des Robert-Koch- Instituts leben in Deutschland 84 700 Menschen mit dem HI-Virus, darunter 12 600, ohne davon zu wissen. Mit dem Selbsttest, hofft Christopher Knoll, dass auch sie erreicht werden.

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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