Illegale Geschäfte:Arbeitslos und Waffenhändler

Lesezeit: 2 min

Der 31-jährige Mann aus Hessen, der eine Pistole und Munition an den Münchner Amokläufer verkauft haben soll, fühlte sich im Darknet offenbar recht sicher. Er war bei der Festnahme in Marburg selbst bewaffnet

Von Susanne Höll

Für die hessischen Strafermittler ist die Festnahme des 31 Jahre alten arbeitslosen Verkäufers, der dem Amokläufer von München eine Glock-Pistole verschafft haben soll, ein großer Erfolg. Kaum ein anderer Fall von Kriminalität im sogenannten Darknet - der dunklen und geschützten Ecke des weltweiten Netzes - hat den Strafverfolgungsbehörden in jüngster Zeit so große Publizität verschafft. Die in Frankfurt ansässige hessische Generalstaatsanwaltschaft sieht sich in ihrer Strategie im Kampf gegen Cyber-Verbrechen bestätigt.

Dem mutmaßlichen Waffenhändler aus Marburg kamen die Ermittler der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Internet-Kriminalität auf die Spur, eine mit inzwischen fünf Staatsanwälten besetzte Sonder-Ermittlungsgruppe der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt. Sie fahndet Tag für Tag im Netz nach Verbrechen aller Art - und stieß dabei auf zwei Männer, die bei dem Mann aus Marburg über das Darknet illegal Waffen beschafft hatten. Über ein fingiertes Kaufangebot kamen die Ermittler schließlich mit dem Händler in Kontakt. Wie genau sie an die Adressen und Namen der beiden anderen Waffenkäufer gelangten, wollen die Fahnder nicht preisgeben. Ihr Ziel ist es, all jene zu verunsichern, die glauben, unerkannt im Darknet schmutzige Geschäfte machen zu können, sagt der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Alexander Badle, am Mittwoch.

Den mutmaßlichen Waffenhändler entdeckten die Sonderermittler erst nach dem Amoklauf vom 22. Juli. Der Mann hatte schon bei der Anbahnung des fiktiven Geschäfts mit den Sicherheitsvertretern erzählt, dass er dem 18 Jahre alten David S. jene Glock-Pistole mitsamt Munition verschafft hatte, mit der der Attentäter im Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen tötete und dann sich selbst. Offenkundig hatte S. im Darknet gezielt nach einer Glock-Pistole gesucht und war so auf den Händler gestoßen.

Der Mann aus Marburg finanzierte sich nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft mit dem Waffenhandel seinen Lebensunterhalt und trug bei der Festnahme eine geladene Waffe, für die er keine Erlaubnis besitzt. Als er auf einem Parkplatz nahe dem Bahnhof in Marburg von Zollfahndern überwältigt wurde, habe er keinen Widerstand geleistet.

Der Mann, gegen den am Mittwoch ein Haftbefehl erlassen wurde, verfügte offenbar über ein umfangreiches Arsenal. Ermittler stießen in Köln auf weitere Waffen aus seinem Besitz: eine Maschinenpistole, vier halbautomatische Pistolen sowie Munition. Die Gegenstände seien in einer Kiste gefunden worden, die auf einer Verkehrsinsel vergraben war.

Auch seine Lebensgefährtin, eine 31 Jahre alte Frau, war offenbar an den Waffengeschäften beteiligt. Sie soll bei dem Verkauf einer Langwaffe an einen 17-jährigen Schüler aus Nordhessen geholfen haben, der über Gitarrenkoffer abgewickelt worden sei. Die Frau war ebenfalls am Dienstag festgenommen worden, ist aber wieder auf freiem Fuß. Es gebe bislang keine Hinweise darauf, dass sie auch an dem Scheingeschäft mit den Behörden beteiligt gewesen sei, sagte Badle. Woher die Waffen des Mannes aus Marburg stammten, ist nach Auskunft der Ermittler noch unklar.

Der Leitende Frankfurter Generalstaatsanwalt Günter Wittig sagte, der illegale Handel mit scharfen Waffen verlagere sich zunehmend ins Internet. Die Täter glaubten, dort anonym tätig sein zu können. "Der Erfolg am heutigen Tag zeigt jedoch, dass es nicht so ist", so Wittig.

Sowohl die Generalstaatsanwaltschaft als auch das Zollkriminalamt verwiesen darauf, dass die gefährliche Internet-Kriminalität wachse und die Ermittler ihre digitalen Fahndungsmethoden noch verfeinern müssten. Von der hessischen Generalstaatsanwaltschaft kam der Wunsch an die Politik, das Straf- und das Strafprozessrecht zu überarbeiten, um so die Verfolgung von Cyber-Kriminalität zu vereinfachen. Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hat dazu inzwischen einen entsprechenden Vorstoß in die Justizministerkonferenz von Bund und Ländern eingebracht.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: