"Ich bin kein Immobilienmann":Basic-Chef entschuldigt sich

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Aufgebrochene Keller, herabfallende Steine, Dreck: Die Bewohner der Müllerstraße 45 fühlen sich von den Vermietern schikaniert.

Bernd Kastner

Johann Priemeier war 1997 Mitgründer der Basic AG, die mittlerweile 23 Bio-Supermärkte betreibt. Im Basic-Vorstand ist Priemeier zuständig für Finanzen. In der Müllerstraße 45 will Basic einen weiteren Markt eröffnen, ihr Verhalten gegen die Bewohner sorgt jedoch für heftige Kritik beim Mieterverein und bei vielen Kunden. Sie werfen Basic Schikane und Mietervertreibung vor: Aufgebrochene und ausgeräumte Keller, Wasserschäden, herabfallende Steine, Dreck, Lärm, mangelnde Informationen.

SZ: Ihr Vorgehen könnte so auch im Lehrbuch für Spekulanten stehen. Priemeier: Ich bin kein Immobilienmensch. Meine Intention war, für Basic den Standort Müllerstraße zu ermöglichen. Das ist ein guter Platz, ein gutes Objekt, wir wollten das haben. Deshalb habe ich mich als Privatperson auch an den Wohnungen beteiligt. Die sind aber Beiwerk ...

SZ: ... Beiwerk? Basic spricht in der Unternehmensphilosophie von "ganzheitlicher Verantwortung gegenüber den Menschen, der Gesellschaft und der Natur". Und nun ist das Zuhause von vierzig Mietparteien "Beiwerk"?

Priemeier: Den hohen ethischen Anspruch hat Basic nach wie vor. "Beiwerk" ist gar nicht negativ gemeint. An den bestehenden Standorten kommen wir gut mit den Hausbewohnern aus. In der Bauphase hatten wir aber noch nie mit Mietern zu tun, normalerweise mieten wir nur die Läden selber nur an.

SZ: Der Mieterverein wirft Ihnen, den Eigentümern, vor, die Mieter loswerden zu wollen, um hinterher den großen Reibach zu machen.

Priemeier: Ich hab die Probleme, die da drin stecken, ein bisschen unterschätzt. Bei den Verkaufsverhandlungen hat es seitens des Alteigentümer immer geheißen: Die und die Wohnung ist schon frei, die und die Mieter ziehen sowieso aus - soundsoviel Wohnungen sind also bis Ende 2007 leer. Der Kaufpreis war mit vermieteten Wohnungen kalkuliert. Wir haben dann notariell vereinbart, dass der Alteigentümer für jede leere Wohnung 20000 Euro zusätzlich bekommt. Es war also das Anliegen des Verkäufers, dass die Wohnungen leer werden.

SZ: Man könnte das als Belohnung auffassen: Für jeden vertriebenen Mieter bekommt der Alteigentümer 20000 Euro oben drauf.

Priemeier: Wenn Sie das so sehen wollen ... Mein Ansatz war es jedenfalls nicht. Dass der Verkäufer und sein Vertrauter über das hinaus, was man im Normalfall macht, versucht haben, an die 20000 Euro zu kommen, das hat im Streit geendet. In der Zwischenzeit haben wir diesem Mann, der vor Ort agierte, sein Büro in dem Anwesen gekündigt und haben ihn abgemahnt, damit er seinen rüden Umgangston bleiben lässt. Ich jedenfalls habe ihn nicht beauftragt...

SZ: ... Sie sprechen von Ihrem "Bevollmächtigten". Da agiert gegenüber den Mietern ein "Bevollmächtigter" der neuen Eigentümer, den Sie nicht engagiert haben wollen. Dennoch dulden Sie ein halbes Jahr lang, dass der Mann in Ihrem Namen handelt. Priemeier: Ich habe davon lange Zeit nichts gewusst, ich habe aber auch nie von "meinem Bevollmächtigten" gesprochen. Das Vorgehen war in der Vergangenheit nicht von mir gesteuert, sondern vom Geschäftsführer der GbR. Als ich von diesem "Bevollmächtigten" erfahren habe, bin ich sofort dagegen vorgegangen. Die entsprechenden Schreiben dieses Herrn an die Mieter gingen um die Jahreswende raus. Später nicht mehr.

SZ: Der SZ liegt aber ein Schreiben des "Bevollmächtigten" noch vom Mai vor.

Priemeier: Ich stecke nicht im Detail drin. Ich bin jetzt aber der, der die Verantwortung übernimmt, dass die alten Probleme aufgearbeitet werden und es ab sofort einen neuen Umgangston gibt.

SZ: Insgesamt wirkt Ihr Vorgehen reichlich unprofessionell.

Priemeier: Das ist richtig. Der Grund liegt in meiner Unkenntnis im Immobilienbereich. Ich bin kein Immobilienmann und will auch keiner werden.

SZ: Sie haben sich als neue Eigentümer den Mietern nicht einmal vorgestellt.

Priemeier: Das ist der schlechte Stil des Geschäftsführers der GbR. Diesen Posten werde ich neu besetzen, außerdem werde ich persönlich die Mehrheit in der GbR übernehmen. Dann kann ich das Projekt so steuern, dass es meinen Ansprüchen gerecht wird. Alles was schief gelaufen ist, wird komplett gestoppt. Ziel ist es, eine Vertrauensbasis zu den Mietern zu schaffen. In den vergangenen Wochen war ich täglich auf der Baustelle. Wie es jetzt läuft, ist es für eine Baustelle in Ordnung. Die Mieter sind erleichtert und honorieren, dass es besser geworden ist. Ich habe eigens eine Mitarbeiterin eingestellt, die nun alle Bewohner besucht und nach Problemen und Schäden fragt, die noch nicht ausgeglichen sind.

SZ: Ein Drittel der einst 40 Parteien ist schon weg. Wie geht es für die verbliebenen Mieter weiter?

Priemeier: Wir wollen das Anwesen komplett sanieren, unter anderem eine Zentralheizung einbauen. Den Bewohnern bieten wir Varianten an: Sie können als Mieter bleiben, sie können ihre Wohnung aber auch kaufen. Wer während der Sanierung intern im Haus ausweichen will, kann auch das. Wer ganz ausziehen will, dem sind wir finanziell behilflich. Und wenn einer partout sagt, ich will drin bleiben aber ohne Sanierung, dann soll die Wohnung so bleiben.

SZ: Mit welcher Mieterhöhung müssen die Bewohner rechnen?

Priemeier: Wir werden in sanierten Wohnungen um 20 Prozent erhöhen, das ist die normale Steigerung, die alle drei Jahre möglich ist. Und das kann sich jeder leisten.

SZ: Maximal 20 Prozent?

Priemeier: Ja, mehr nicht.

SZ: Heißt das, Sie verzichten darauf, die Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen? Sie könnten ganz legal elf Prozent der Modernisierungskosten, etwa für die Aufzüge, umlegen.

Priemeier: Diese zusätzliche Erhöhungsmöglichkeit war mir, ehrlich gesagt, gar nicht bewusst. Aber egal: Ich habe das Ganze durchkalkuliert, und die 20 Prozent reichen. Ich bin nicht auf den großen Reibach aus. Der Basic-Markt hat Priorität, das andere muss nebenbei so abgehandelt werden.

SZ: Kürzlich haben Sie vor Gericht eine Räumungsklage gegen eine langjährigen Mieterin eingereicht. Die Frau hat die Miete gekürzt, unter anderem wegen des Baulärms.

Priemeier: Die Klage wurde vom GbR-Geschäftsführer eingereicht. Ich lasse sie zurückziehen, wir machen auch mit dieser Mieterin einen Neuanfang.

SZ: Es drängt sich der Eindruck auf, dass Sie den Bewohnern verschleiern wollten, dass Basic Miteigentümer des Anwesens ist und damit Mitvermieter.

Priemeier: Basic hat sich nie als Vermieter gesehen. Wir haben intern eine klare Trennlinie zwischen den Wohnungen und dem Laden.

SZ: Dennoch: Ohne das Bestreben Basics, dort einen Markt aufzumachen, hätte es den Immobiliendeal in dieser Form nicht gegeben. Können Sie nachvollziehen, dass Basic jetzt von empörten Kunden in vielen Briefen die Prügel kriegt?

Priemeier: Ja, definitiv. Sollten wir uns jemals an eine weitere Immobilie wagen, dann versichere ich: Das wird um 180 Grad anders laufen. Es tut mir sehr leid, was in der Müllerstraße gelaufen ist. Es war nie meine Intention, die Bewohner dort zu vertreiben. Ich bin mir sicher, dass die Mieter am Ende besser dastehen werden, als wenn das Gesamtobjekt von einem reinen Immobilienspekulant übernommen worden wäre.

SZ: Welches Fazit ziehen Sie nach einem halben Jahr?

Priemeier: Ungeachtet der Schwierigkeiten, bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass das ein gutes Projekt wird. Zum Wohle aller Beteiligten. Die Angelegenheit hat mich schlaflose Nächte gekostet. Ich habe viel gelernt. Wir müssen daran arbeiten, zerschlagenes Porzellan wegräumen. Ich kann mich nur in aller Form entschuldigen.

© SZ vom 29.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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