Hund im Rollstuhl:Der gelähmte Mops

Lesezeit: 3 min

Tim, der Mops, hatte einen Bandscheibenvorfall. Statt ihn einzuschläfern, hat seine Besitzerin ihm einen Rollwagen verpasst. Damit ist er fast so flink wie früher.

Monika Maier-Albang

An die Blicke der anderen musste sich Annette Kaiser erst gewöhnen. Normalerweise wandern die Blicke vom Hund zu ihr, dann zurück zum Hund. Dort ruhen sie eine Weile auf dem seltsamen Gefährt an Tims Hinterläufen, um sich in ein Lächeln aufzulösen.

(Foto: Foto: Catherina Hess)

Solche Beobachter sprechen Annette Kaiser meist direkt an. Andere ziehen kopfschüttelnd weiter. Und manchmal hört die Tierärztin nur im Vorübergehen, wie die Menschen miteinander tuscheln, dass man ,,so ein armes Viecherl doch lieber einschläfern'' solle.

Annette Kaisers Hund Tim braucht einen Rollstuhl. Und der Ausruf ,,Oh Gott, der Arme'' ist der Standardspruch, der seine Besitzerin tagtäglich auf ihrem Spaziergang durch den Englischen Garten begleitet. Dabei sei Tim ,,gar nicht so arm'', sagt die 27-Jährige. Munter und lebensfroh sei ihr Tim. Und wer sieht, wie Tim in seinem Rollwagen über Wege und Wiesen fetzt, glaubt es ihr sofort.

Tim ist ein Mopsmischling, ,,geschätzte drei Jahre'', wie Kaiser sagt. Im November 2005 brachten seine Vorbesitzer Tim wegen eines Bandscheibenvorfalls in die Chirurgische Tierklinik der Universität München, wo damals auch Annette Kaiser arbeitete. Eine Kollegin operierte den Hund, ,,doch sein Rückenmark war schon zu stark geschädigt'', sagt Kaiser.

Eine Kämpfernatur

Anfangs war der Hinterleib des Hundes völlig gelähmt und taub. Das Gefühl kam mit der Zeit zurück, doch richtig bewegen kann Tim seine Hinterbeine noch immer nicht. Deshalb stützt ihn das Gefährt.

Tim sei eine ,,Kämpfernatur'', sagt Kaiser, einer, der das Beste aus seiner Krankheit macht. Kaiser hat andere Hunde gesehen, die in Panik verfallen, wenn die Hinterläufe keine Kraft mehr haben. Die sich aufgeben, in der Ecke liegen bleiben. So einer war Tim nie. Vielleicht, weil er ein Findling aus dem Süden ist, der schon früh gelernt hat, sich durchzuschlagen. Trotzdem ließen die Vorbesitzer den Hund in der Klinik.

Aus Angst vor den Kosten, die auf sie zukommen könnten. Und weil Tim nach der Operation anfangs inkontinent war. Die Ärzte setzten Tim auf die ,,Mops-in-Not''- Homepage. Doch alle Interessenten, die ihn aufnehmen wollten, sprangen in letzter Minute ab. ,,Niemand hat sich zugetraut, ihn zu übernehmen'', sagt Kaiser, ,,und wir wussten ja auch nicht, wie es mit ihm wird.''

Heute kommt ein munterer Hund auf den Besucher zugesprungen. Das linke Ohr klappt nach hinten, wenn Tim einen ansieht. Dann bellt er, weil er die Leckerei in der Hand des Besuchers riecht. Sonst sei ihr Hund, beteuert Kaiser, eher ein Leiser.

Nach der Operation hat sie ihn bei sich behalten. Übers Wochenende zunächst, dann die Weihnachtsfeiertage, dann für immer. Und schon bald machte Annette Kaiser sich auf die Suche nach einer Möglichkeit, wie Tim trotz Behinderung weiter aktiv sein kann. Dabei stieß sie auf ,,Doggon' Wheels'', eine US-Firma, die Rollwagen für Hunde herstellt und verschickt. ,,Die Amerikaner sind dazu verrückt genug'', frotzelt Kaiser.

Tims Hinterkörper ruht nun in gepolsterten Tragegurten, die ein leichter Alurahmen umgibt. Er rollt auf luftgefüllten Reifen, die Tim inzwischen schon abgelaufen hat. Seine Pfoten stecken in Schutzschuhen, damit er sie sich nicht aufscheuert. Ein Schutzbügel am Gefährt verhindert, dass das Tier nach hinten wegkippt.

Bekannt wie die bunten Hunde

Annette Kaiser und Tim sind mittlerweile im Englischen Garten bekannt wie die sprichwörtlichen bunten Hunde. Bliebe sie bei jedem stehen, der Tim fragend anblickt, käme sie in der Mittagspause gar nicht voran, sagt Kaiser. Deshalb hält sie auch nur dann an, wenn sie jemand direkt anspricht. Oft passiert es ihr dabei, dass Nicht-Hundebesitzer Tims Rollstuhl für einen Gag halten. Für eine Art Sulky, in dem eben der Fahrer fehlt.

Oder für einen Muskelaufbautrainer. Viele Hundehalter mit älteren Tieren erkundigen sich indes bei ihr, wo man so ein Gefährt bekommt. Doch nicht für jeden Hund sei der Rollstuhl geeignet, warnt die Tierärztin. ,,Der Hund muss mitmachen.'' Als sie Tim zum ersten Mal in den Wagen gesetzt habe, sei der ,,sofort gelaufen wie mit vier Pfoten''.

Natürlich musste er erst lernen, wie man um Stühle herumfährt und Türrahmen richtig abmisst. Und dass sich andere Hunde oft fürchten, wenn er zu rasant an sie heranrollt. Treppen kommt er ohne Hilfe hinunter; geht es hinauf, hebt Annette Kaiser das Gefährt an.

Nach dem Mittagsspaziergang holt Annette Kaiser Tim aus dem Wagen. Drei Handgriffe, Routine inzwischen. Noch eine Handtuchmassage bei dem Schmuddelwetter, dann sitzt er da in ihrem Büro, mit schief gelegtem Kopf und einem Blick, der bedeuten könnte: ,,Schau, wie gut es mir geht.'' Oder aber: ,,Gibt mir noch ein Leckerli!''

© SZ vom 3.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: