Humoristen-Treffen:Reden, Rehe, Rührigkeiten

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"Ich hab' ja mein Leben lang immer geradeaus gedacht, bin aber nicht so stromlinienförmig, wie ich aussehe", sagt Thomas Gottschalk. (Foto: Stephan Rumpf)

Thomas Gottschalk und Hans-Dietrich Genscher erhalten Querdenker-Awards

Von Thomas Becker, München

Klar könnte man den ganzen Abend nur mit Thomas Gottschalk bestreiten. Hat man ja früher auch gemacht, ein halbes Samstagabendfernsehleben lang. Aber wie das nun mal so ist, merkt man erst, was fehlt, wenn es nicht mehr da ist.

Gottschalk also. Kommt zwar zu spät zur Preisverleihung der Querdenker-Awards am Mittwochabend in der BMW-Welt, versprüht aber in zwei Minuten mehr Esprit und Witz als andere in zig Stunden. Allein der Foto-Termin mit einer wildgewordenen Horde Kameraträger vor dem etwas zu pferdegebissigen Gottschalk-Portrait: ein Spaß. Tommy hier, Tommy da, kannst du mal so, mach doch mal das. Und er so: "Ich kann mich auch hinters Bild stellen." Gastgeber Otmar Ehrl vom Querdenker-Club eilt herbei, drapiert sich neben Gottschalk auf ein rotes Samtsofa und ist im siebten Himmel- im Gegensatz zu den Fotografen: "Können wir bitte mal Single-Shots haben!" Mit Tommy natürlich. Der wundert sich zwar ("Ich frag' mich jedes Mal, was ihr mit all den Bildern macht"), macht aber alles mit und meint dann: "Und jetzt gehen wir tanzen, oder wie?"

Der sechste Querdenker-Award hat so seine Längen, doch sobald der "Titan der Unterhaltung, der Virtuose der Leichtigkeit" ( Bunte-Chefin Patricia Riekel) ins Spiel kommt, nimmt die Sache Fahrt auf. Beglückte Reporter, die froh sind, nach Gottschalks Frotzeleien endlich was im Block zu haben: "Man muss schon ein rechter Querdenker sein, um drauf zu kommen, dass ich ein Querdenker bin", sagt er, "ich hab' ja mein Leben lang immer geradeaus gedacht, bin aber nicht so stromlinienförmig, wie ich aussehe. Querdenker und Querkopf sind offenbar unterschiedliche Dinge." Und noch einen Kalauer hinterher: "Ich bin in einem Alter, dass ich preiswert werde." Was den Award angeht, habe er sich mit einem Freund abgestimmt, mit dem er schon gemeinsam "Das goldene Schlitzohr" bekommen habe: Hans-Dietrich Genscher. "Er meinte: Der Preis ist gut. Den nehmen wir."

Der ehemalige Außenminister wird ebenfalls geehrt. Der 88-Jährige sitzt mit Gottschalk am Tisch, im Rollstuhl, was bei der Preisverleihung ein etwas schiefes Bild ergibt, da Laudatorin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der nicht barrierefreien Bühne hinab sprechen muss. Genscher rollt während der Lobrede der Parteikollegin gemütlich vor und zurück, bedankt sich mit dem ihm eigenen Humor ("Ich finde, die Leute haben Geschmack") und nimmt die Standing Ovations der 300 Gäste entgegen. Das Reden fällt ihm schwer, und so verteilt der Veranstalter ein Statement Genschers: "Wer nicht quer denken kann, kann auch keine Tür zu Neuem öffnen. Ohne Quer-Denken kein Fortschritt. Ohne Fortschritt? Lieber nicht. Ohne Quer-Denken keine Freiheit. Ohne Freiheit? Bitte nicht noch mal."

Der Querdenker-Club, dieses selbsternannte Innovations-Netzwerk aus Industrie und Wirtschaft, zeichnet zudem Michael Otto vom gleichnamigen Versand aus, er wird von Schauspieler Hannes Jaenicke für seine ökologische und soziale Verantwortung gelobt: "Er hat den Pelz abgeschafft!" Den nächsten Preisträger Helmut Markwort verortet BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb "irgendwo zwischen Luther und Franz Josef Strauß", er sei ein "Wahrheitssucher, neugieriger als ein ganzer Frauen-Stammtisch". Und vom Weltwirtschaftsgipfel in Davos erzählt Gottlieb, als Verleger Hubert Burda Markwort einst in den Saal zog und rief: "This is the guy, who made me rich." Sven Martineks Rede auf Schauspielerkollegin Sonja Kirchberger gerät gar zur rührigen Liebeserklärung: "Mit der muss man Pferde stehlen! Und diese Augen, die einen so warm durchbohren, dass einem schwindlig wird . . ." Mit dem Schwindligmachen kennt sich auch der nächste Preisträger aus. Thomas Müller, der Dribbelkünstler, ist zwar nicht zugegen, wird aber von Jan Pienta, der ihn mit zwölf zum FC Bayern gelockt hatte, schön charakterisiert mit einer Anekdote aus der C-Jugend: "Sitze ich da bei einem Stück Torte, kommt Thomas vorbei und meint: ,Trainer, morgen laufen! Kalorien!'"

Amüsante Anekdoten prägen den Abend, aber am meisten doch der Mann in Blond. Gottschalk erzählt auf der Bühne, wie er mal zwei Bambis in einer Plastiktüte beim Pförtner von Bunte zurückgegeben hat, weil er sauer auf deren Berichterstattung war. Jahre später überreichte er Günther Jauch einen Bambi - und bekam von dem seine Rehe wieder zurück - in einer Plastiktüte. Er nahm sie an, so wie auch den Querdenker-Award mit fünf Kilo Gewicht. Natürlich nicht ohne einen Spruch, bei der hantelschweren Vorlage: "Sieht aus wie eine Lakritzschnecke, die verrückt geworden ist."

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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