Hospiz:Die Begleiterin

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Susanne Dau-Kayser begleitet als Hospizhelferin Menschen auf ihrem letzten Weg. (Foto: Stephan Rumpf)

Susanne Dau-Kayser besucht Menschen, die bald sterben

Von Christina Hertel

An einem Wintertag, es ist kalt und die Straßen sind weiß, spaziert Susanne Dau-Kayser durch München, als ihr ein Gedanke kommt: "Wenn du irgendwann tot bist, wirst du nie wieder sehen, wie die Flocken vom Himmel fallen, nie wieder hören, wie der Schnee unter den Schuhen knirscht, nie wieder die Kälte fühlen." Aber was, fragte sie sich, ist dann? So erzählt Susanne Dau-Kayser heute, zehn Jahre später, in einem Café in Haidhausen von dem Moment, der für sie der Beginn eines Engagements war, das inzwischen einen großen Teil ihres Lebens einnimmt: Susanne Dau-Kayser, 59 Jahre alt, eine freiberufliche Therapeutin und Übersetzerin, arbeitet als eine von 250 ehrenamtlichen Hospizhelfern für den Christophorus Hospiz Verein.

Seitdem sie 2008 die Ausbildung dazu machte, begleitete sie etwa zehn Menschen in den Tod. Mit manchen verbrachte sie fast zwei Jahre, mit einigen viele Monate, mit wenigen bloß ein paar Stunden. Sie las einer blinden Dame Goethe vor, sie beobachtete, wie ein altes Musiker-Pärchen, er Orgelspieler, sie Flötistin, langsam von einander Abschied nahm. Keinen von ihnen sah Susanne Dau-Kayser sterben, obwohl sie bei allen viele Stunden am Bett saß. Denn meistens suchen sich Sterbende den Moment, wenn gerade niemand im Zimmer ist, das hätten ihr auch andere Hospizhelfer so berichtet.

Etwa zwei bis drei Stunden in der Woche verbringt Dau-Kayser mit Menschen, die bald sterben. Die meisten besucht sie Zuhause. Eine Erleichterung seien ihre Besuche vor allem für die Angehörigen, die in der Zeit einkaufen gehen können - ohne Angst, dass der Kranke alleine ist. Aber auch für den Sterbenden sei sie eine Hilfe - weil er mit ihr Fragen besprechen kann, die er sich bei anderen nicht zu stellen traut. Ob der Tod weh tut, was danach kommt, welchen Sinn das alles hat. Eine eindeutige Antwort hat Dau-Kayser nicht - darüber sprechen helfe aber manchen. Doch für die für viele, besonders die Älteren, sei der Tod bis zum Schluss ein Tabu.

Sie habe verstanden, dass am Ende des Lebens nichts mehr zählt. "Kein Titel, kein Geld, kein beruflicher Erfolg." Und sie habe gelernt, dass der Mensch ein zähes Tier sei, das selbst den schlimmsten Schmerz aushalten könne. Zweidrittel der ehrenamtlichen Hospizhelfer seien Frauen, schätzt Dau-Kayser. Woran das liegt, kann sie nicht sagen. "Vielleicht können Frauen handfester mit solchen Themen umgehen." Während des Zweiten Weltkriegs, so sei es ihr erzählt worden, seien es auch die Frauen gewesen, die aus den Trümmern der zerbombten Städte die Leichen bargen.

© SZ vom 07.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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