Honorarverträge:Wenn Musik arm macht

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Eine Diskussion beleuchtet das Dilemma der freien Dozenten

Von Thomas Jordan

Frische Impulse aus der beruflichen Praxis in die eingefahrenen, akademischen Strukturen bringen und gleichzeitig erfahrenen, andernorts festangestellten Musikern die Chance geben, sich nebenbei an der Universität zu profilieren: Das war in den 1970er-Jahren die Idee, mit der Hochschulpolitiker begannen, neben festangestellten Dozenten auch Berufsmusiker mit Honorarverträgen für den Unterricht in Nebenfächern wie klassische Gitarre oder Kirchenmusik zuzulassen. Heute ist die Realität eine ganz andere. Was als Abwechslung im Uni-Alltag gedacht war, ist an der Hochschule für Musik und Theater München der Normalfall und für viele Musiker eine Verdienstquelle, ohne die es nicht mehr geht. Die Hälfte des Unterrichts leisten hier inzwischen freiberufliche Lehrbeauftragte - ohne soziale Absicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubs- oder Rentenanspruch. Ein Freifahrtschein ins Prekariat, spätere Altersarmut nicht ausgeschlossen.

Als "Reality-Check" verstehen die beiden Moderatoren Friederike Haupt (BR) und Jakob Wetzel (SZ) daher auch die Podiumsdiskussion in der Hochschule. Unter dem Titel "Billigdozenten - die Lehrbeauftragten wehren sich gegen ihre prekäre Situation" bildete die Veranstaltung den Höhepunkt von vierjährigen Gesprächen des Sprecherrates der Lehrbeauftragten mit Hochschulpolitikern aller Parteien. Während die hochschulpolitischen Sprecher von SPD (Isabell Zacharias), Grünen (Verena Osgyan) und Freien Wählern (Michael Piazolo) dazu in die Arcisstraße 12 gekommen waren, ließ sich der Wissenschaftspolitiker Thomas Goppel von der Referatsleiterin der Fraktionsverwaltung der CSU im bayerischen Landtag, Ute Primavesi, auf dem Podium vertreten.

Gleich zu Beginn der Veranstaltung hatte Moderatorin Friederike Haupt ein dürres Statement von Goppel verlesen, wonach Lehrbeauftragte aus Sicht des Kultusministeriums keine haupt-, sondern nur nebenberuflich Beschäftigte sind. Dass das oft an der Realität vorbeigeht, macht die Lehrbeauftragte für Klavier, Yumiko Yamamoto, deutlich, die seit 25 Jahren als Korepetitorin für Klavier unterrichtet: Weil sich ihre Klavierstunden zeitlich flexibel nach den Veranstaltungen der Professoren richten, sei es ihr nicht möglich, einen zweiten Job neben den 10,75 Stunden an der Musikhochschule anzunehmen. Es gebe schlichtweg keine Planungssicherheit, und der Musikunterricht sei deswegen zwangsläufig die Hauptbeschäftigung. Ihre Berufskollegin Anna Schilova, die seit 25 Jahren an der Musikhochschule Ballett unterrichtet, erzählt, sie habe seit einiger Zeit mit Schulterproblemen zu kämpfen. Sich deswegen aber krankschreiben zu lassen, wie es ihr der Arzt geraten habe, ist für sie nicht so einfach. Nicht nur, dass sie dann nichts verdient: "Vielleicht sagt man doch, die ist alt und gebrechlich geworden - tauschen wir sie aus gegen eine junge, kräftige, wie ich selbst vor 25 Jahren eine war."

Gesetzlichen Kündigungsschutz hat sie zumindest keinen. "Zynisch" sei dieser Zustand, bekennt auch der Vizepräsident der Musikhochschule Christof Adt: "Wir könnten nicht überleben ohne unsere Lehrbeauftragten - und wenn ein Lehrbeauftragter sagt, ich kann mir das nicht mehr leisten, dann finden wir einfach einen Neuen." Es passt, dass nach Adts Bemerkung der Pianist Dmitrij Romanov Sergej Prokofjews Klavierstück "Drei Sarkasmen" spielt.

Der Grund für die prekäre Situation, darin sind sich die drei Oppositionsvertreter auf dem Podium einig, sei die "Realitätsverweigerung" der Staatsregierung, wie es der hochschulpolitische Sprecher der Freien Wähler, Michael Piazolo, auf den Punkt bringt. Moderator Wetzel steuert dazu Zahlen bei, wonach laut einer Umfrage von den 130 Münchner Musik-Lehrbeauftragten mehr als 60 Prozent eben keine andere Beschäftigung als den Musikunterricht an der Hochschule ausüben. Mehr festangestellte Dozentenstellen schaffen, ist dann auch das Rezept der Vertreter von SPD, Grünen und Freien Wählern. Und dafür müsse man notfalls eben auch auf die Straße gehen, betont Isabell Zacharias und erklärt sich bereit, dabei selbst "das Plakat zu halten". Zaghaft verweist Ute Primavesi demgegenüber darauf, dass im Haushalt 2017/2018 keine Spielräume für solche Stellen vorgesehen seien.

Manches macht Hoffnung bei dieser Diskussion in der Musikhochschule, anderes bleibt vage, die Standpunkte von Regierung und Opposition bleiben unterschiedlich. So ist die einzige belastbare Aussage diejenige, die Vizepräsident Adt mit Blick auf die beiden neben ihm auf dem Podium sitzenden Klavierlehrerinnen machte: "Wir freuen uns, wenn sie auch nächstes Jahr wieder unterrichten. So leicht sind sie nicht zu ersetzen."

© SZ vom 17.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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