Höhere Kochkunst:Besondere Note

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Anton Gschwendtner ist gerade 30 Jahre alt geworden, als er das Angebot aus dem Hotel Sofitel erhält. (Foto: Stephan Rumpf)

Anton Gschwendtner, neuer Chefkoch im Hotel Sofitel, setzt auf regionale Zutaten, bedient sich aber auch der asiatischen oder arabischen Küche. Man schmeckt, dass er lange Zeit in Sterne-Häusern gearbeitet hat

Von Franz Kotteder

Anton Gschwendtner prüft noch einmal, ob das Gerät tatsächlich auf 33 Umdrehungen pro Minute eingestellt ist, und wirft dann den Plattenspieler an. Der Teller beginnt sich zu drehen, Gschwendtner greift zur Plastikflasche mit der grünen Avocado-Creme, setzt einen Punkt in der Mitte und zieht die Flasche dann langsam nach außen, bis sich auf dem Teller eine hübsche grüne Spirale abgebildet hat. Fertig! Nun geht's zur Weiterverarbeitung, mit Kirschtomaten, gefüllt mit Parmesanschaum, sowie einem kurz angebratenen Carabinero, wie jene leicht süßlich schmeckenden Riesengarnelen heißen, die meist aus dem Süden Portugals oder Spaniens kommen.

Spätestens jetzt dürfte klar sein, dass es sich bei Anton Gschwendtner nicht um einen DJ handelt und der Teller kein Plattenteller ist. Als professionelle Musikmaschine wäre das kleine Billigteil, das auf der Arbeitsfläche im Restaurant Délice la Brasserie des Hotels Sofitel Bayerpost steht, auch gar nicht geeignet. Aber man kann sehr wohl richtige Teller damit hervorragend verzieren, wie Gschwendtner soeben gezeigt hat.

Einfälle muss man eben haben, gerade als Koch und gerade, wenn man eben erst seinen ersten Posten als Chefkoch übernommen hat. In jenem Segment, das sich "Spitzengastronomie" nennt, ist das sowieso Einstellungsvoraussetzung. Und Anton Gschwendtner ist schon ganz schön lange unterwegs in diesem Segment, obwohl er erst 30 Jahre alt ist. In gewisser Weise ist er da schon familiär vorgeprägt, die Eltern haben einen Landgasthof in Tünzhausen bei Allershausen im Landkreis Freising, "und sie meinten, ich müsse mich auf alle Falle ein bisschen umschauen". Schon mit 15 Jahren machte er dann sein erstes Küchenpraktikum im Königshof, beim Sternekoch Götz Rothacker. Da hatte er gleich Gefallen daran gefunden, und mit 16 ging es dann in die Lehre, ins Forsthaus am See in Possenhofen. "Da hab' ich dann sämtliche Positionen in der Küche durchlaufen und habe dann auch noch ein halbes Jahr als Commis drangehängt." Commis nennt man den Jungkoch nach Abschluss der Ausbildung.

Freilich: "Wenn man drei Jahre lernt, dann kann man noch nicht kochen", sagt Gschwendtner, "dann hat man punktuelle Kenntnisse, alles andere muss man sich dann in den eigentlichen Lehrjahren danach aneignen. Da nimmt man dann von jedem Chef, bei dem man gearbeitet hat, etwas mit." In Gschwendtners Fall waren das durchaus erste Namen. Er arbeitete im Hotel Bareiss in Baiersbronn, machte dabei unter anderem auch eine sechswöchige Stage - so nennen sich die Intensivpraktika in den besseren Restaurants - beim Drei-Sterne-Koch Harald Wohlfahrt oder bei Christian Jürgens, damals noch im Schloss Wernberg in der Oberpfalz. Auch ins Münchner Acquarello oder in Petermanns Kunststuben in der Schweiz führten ihn seine Wanderjahre. Besonders beeindruckt hat ihn offenkundig Harald Wohlfahrt. "Dieser Mensch arbeitet fast wie ein Uhrwerk", sagt er, "gerade für einen jungen Menschen ist es sehr beeindruckend, welche Ruhe er ausstrahlt und wie sachlich er jeden einzelnen Teller, der rausgeht, noch einmal abnimmt und gegebenenfalls korrigiert. Er war immer fair, es gab bei ihm nie einen lauten Ton." Dass er da ein Vorbild gefunden hat, liegt auf der Hand: Auch Anton Gschwendtner scheint die Ruhe selbst zu sein und spricht sehr sachlich von seiner Küche. Die Begeisterung für seinen Job kann man ablesen aus der Geschwindigkeit, mit der er über seine Arbeit und seine Gerichte spricht. Von Nervosität ist ihm keine Spur anzumerken, obwohl er ja erst seit Anfang April mit seinen eigenen Kreationen glänzen darf - oder mit denen seines Teams, wie er wohl sagen würde, als moderner Küchenchef ist er selbstverständlich ein Mannschaftsspieler.

Das Luxushotel Sofitel in der ehemaligen Bayerpost hat im vergangenen Jahr beschlossen, seine Gastronomie etwas aufzumörteln. Die Konkurrenz schläft nicht, und im Bewusstsein der Stadt sind halt immer noch Bayerischer Hof, Vierjahreszeiten und Mandarin Oriental die führenden Häuser. Man kam also ins Gespräch mit Gschwendtner, der zu diesem Zeitpunkt bereits sechseinhalb Jahre als Sous-Chef im Atelier des Bayerischen Hofs gearbeitet und in dieser Zeit auch seine Prüfung als Küchenmeister abgelegt hatte. Sternekoch Steffen Mezger war gerade zur Residenz Heinz Winkler nach Aschau gewechselt, der neue Küchenchef Jan Hartwig kam aus Wolfsburg, vom dortigen Drei-Sterne-Haus Aqua. "Ich war 30 geworden, und da macht man sich Gedanken, wie man weitermachen will", sagt Gschwendtner, "und ob man nicht doch in die erste Reihe gehen möchte."

Da kam die Anfrage aus der Bayerstraße gerade recht, und Gschwendtner stellte fest, dass es tatsächlich an der Zeit war, in die erste Reihe zu wechseln. Vor einem knappen halben Jahr fing er im Sofitel an und begann mit seiner achtköpfigen Brigade an einer neuen Karte zu arbeiten. Ein paar Klassiker, die es in einem Hotelrestaurant einfach braucht, bleiben. Das Boeuf Bourguignon etwa, ein Klassiker des Hauses, die Steaks vom französischen Charolais- oder vom US-Rind oder das australische "Tomahawk-Steak", das so heißt, weil es direkt am großen Rippenknochen gegrillt wird. Neu ist aber das Menü, das sich der Gast frei aus zwölf verschiedenen Gerichten zusammenstellen kann. Jeder Gang kostet pauschal 17 Euro, die Zahl der Gänge und die Gerichte kann man individuell zusammenstellen. "Das ist in Deutschland noch sehr ungewöhnlich", sagt der Chef, "aber es kommt den Wünschen der Gäste auch entgegen."

Bleibt noch die eigene Handschrift des neuen Chefs. Klar, regional ist schon wichtig, sagt er, die Forelle kommt aus dem Königssee, das Lamm aus dem niederbayerischen Polting, der Spargel aus Schrobenhausen. Aber es gibt auch Jakobsmuscheln und einen Nacken vom ungarischen Wollschwein, schottischen Wildlachs und Heilbutt von der bretonischen Küste. "Entscheidend ist immer der Geschmack", sagt Gschwendtner, "und bei jedem Gericht steht das Hauptprodukt im Mittelpunkt." Alle anderen Bestandteile umspielen es, sollen dessen Geschmack und seine Aromen noch besser zur Geltung bringen.

Da bedient sich Gschwendtner dann schon mal bei der asiatischen Küche, die er besonders schätzt, wenn er zum Beispiel einen Räucheraal mit Sojasauce behandelt und anschließend mit dem Bunsenbrenner flämmt, ihn schließlich mit Dickmilch, grünen Apfelstiften und Rettich kombiniert. Aber auch die neue nordische Schule kann da eine Rolle spielen, oder Elemente der arabischen Küche - Hauptsache, es gibt dem Hauptprodukt eine besondere Note. Im Ergebnis schmeckt man dann, dass der Koch fast sein halbes Leben in Sterne-Häusern gearbeitet hat. In einem Hotelrestaurant, das jeden Tag von Mittag bis spät in die Nacht geöffnet hat, ist das schon mehr als man erwarten darf.

© SZ vom 27.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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